Rz. 17

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 besteht der besondere Kündigungsschutz über den Zeitpunkt der Schwangerschaft hinaus.

Unter Entbindung ist grundsätzlich die Trennung der Leibesfrucht vom Mutterleib zu verstehen, was bei einer Lebendgeburt vollkommen unproblematisch anzunehmen ist.[1] Unter den Begriff der Entbindung fallen auch Frühgeburten[2], da es sich hierbei um eine vorzeitige Entbindung handelt. Nach der Rechtsprechung des BAG[3] liegt eine Frühgeburt vor, wenn das Kind mit einem Geburtsgewicht von weniger als 2.500 Gramm geboren wird. Der Kündigungsschutz bleibt auch erhalten, wenn das Kind alsbald nach der Geburt verstirbt oder zur Adoption freigegeben wird.[4] Auch eine Totgeburt stellt eine Entbindung i. S. d. § 17 dar. Eine solche ist nach § 31 Abs. 2 PStV gegeben, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib weder das Herz geschlagen noch die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt, aber das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 Gramm betragen hat, wobei eine medizinisch indizierte vorzeitige Einleitung der Geburt der Annahme einer Entbindung nicht entgegensteht.[5]

 

Rz. 18

Endet die Schwangerschaft durch einen Schwangerschaftsabbruch i. S. d. § 218 StGB, so liegt hierin keine Entbindung. Der besondere Kündigungsschutz während der Schwangerschaft fällt dadurch aber nicht rückwirkend weg, sondern endet mit dem Abbruch.[6]

Bezweckt der Eingriff aber nicht zielgerichtet die Tötung der Leibesfrucht im Mutterleib, sondern die bloße Beendigung der Schwangerschaft zu einem früheren als dem voraussichtlichen Entbindungstermin, ohne das Leben der Leibesfrucht beeinträchtigen zu wollen, etwa bei Lebensgefahr der schwangeren Frau, liegt eine Entbindung vor. Dies gilt auch bei der Beschleunigung oder Einleitung einer Geburt eines vermeintlich an sich lebensfähigen Kindes durch wehenfördernde Mittel.[7]

 

Rz. 19

Der Kündigungsschutz besteht im Fall der Entbindung des Kindes bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf des 4. Monats nach der Niederkunft.

Durch Satz 1 Nr. 2 wird in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben klargestellt, dass eine Kündigung bis zum Ende der Schutzfrist nach der Entbindung nach § 3 Abs. 2 grds. unzulässig ist. Dadurch wird der Anforderung der Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) entsprochen. Diese sieht in Art. 10 vor, dass eine Kündigung während der Schwangerschaft und bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubes unzulässig ist. Die frühere Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a. F. sah lediglich einen Kündigungsschutz bis zum Ablauf von 4 Monaten, also weniger als 18 Wochen nach der Entbindung, vor. In den Fällen, in denen eine 18-wöchige Schutzfrist nach der Geburt zur Anwendung kam, bestand eine Lücke im Kündigungsschutz. Wird das Kind z. B. vor der 6-wöchigen vorgeburtlichen Schutzfrist geboren und beträgt die Schutzfrist nach der Geburt wegen einer Frühgeburt 12 Wochen, so beläuft sich die Schutzfrist auf 18 Wochen. Diese Lücke im Kündigungsschutz wurde durch die Neuregelung geschlossen.

 

Rz. 20

Zur Berechnung der 4-Monats-Frist finden die §§ 187, 188 BGB Anwendung, dagegen gilt § 193 BGB nicht. Wenn im letzten Monat der für den Ablauf maßgebende Tag fehlt, endet die Frist nach § 188 Abs. 3 BGB mit dem Ablauf des Monats. Bei einer Entbindung am 30. oder 31. Oktober endet die Frist erst am 28. Februar, in Schaltjahren am 29. Februar des Folgejahres.

 
Praxis-Beispiel

Erfolgt die Entbindung am 5.10., so besteht der Kündigungsschutz bis zum Ablauf des 5.2. des folgenden Jahres.

 

Rz. 21

Endet eine Schwangerschaft nicht durch Entbindung, endet damit auch der Kündigungsschutz mit sofortiger Wirkung, das Zustimmungserfordernis nach § 17 Abs. 2 entfällt.

Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft etwa aufgrund einer Fehlgeburt vor der 12. Schwangerschaftswoche vorzeitig endet. Dies gilt auch dann, wenn sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befindet und eine von ihm erklärte Kündigung bereits wegen Verstoßes gegen § 17 rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist. Auch wenn die Arbeitnehmerin diese Mitteilung schuldhaft unterlassen und der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis deshalb nicht erneut gekündigt hat, kann dieser die Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses und die erbrachten Vergütungsansprüche allerdings nicht als Schaden geltend machen.[8]

[4] Vgl. ErfK/Schlachter, § 17 MuSchG, Rz. 3.
[6] Vgl. ErfK/Schlachter, § 17 MuSchG, Rz. 4.
[7] Vgl. Brose/Weth/Volk/Volk, § 17 MuSchG, Rz. 36.

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