2.1 Allgemeines

 

Rz. 8

Ein zentraler Begriff des Betriebsverfassungsrechts ist der Begriff des "Arbeitnehmers", den das Betriebsverfassungsgesetz jedoch nicht selbstständig definiert. § 5 Abs. 1 enthält keine eigenständige Definition.[1] Mit der Einführung des neuen § 611a BGB wird seit dem 1. April 2017 jedoch erstmals gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmer im zivilrechtlichen Sinne, bzw. was ein Arbeitsvertrag ist.

 

Rz. 9

Auch das Betriebsverfassungsgesetz geht vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers aus und setzt diesen voraus (BAG, Beschluss v. 12.2.1992, 7 ABR 42/91[2]). § 5 BetrVG erweitert den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff teilweise, schränkt ihn andererseits jedoch, insbesondere durch § 5 Abs. 2, auch wieder ein.[3]

 

Rz. 10

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund privatrechtlichen Vertrags zur Arbeit im Dienst eines anderen verpflichtet ist (ständige Rechtsprechung des BAG vgl. statt vieler nur BAG, Urteil v. 12.9.1996, 5 AZR 104/95[4]; BAG, Urteil v. 24.3.2004, 5 AZR 233/03[5]). Das Definitionsmerkmal "im Dienst eines anderen" kennzeichnet die sogenannte "persönliche Abhängigkeit" als das Kriterium, das den Arbeitsvertrag vom freien Dienstvertrag unterscheidet. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit ist weder erforderlich noch ausreichend.[6] Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Danach ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbstständig und deshalb persönlich abhängig ist dagegen derjenige, dem dies nicht möglich ist. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB gilt unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbstständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über den Wortlaut hinaus, enthält diese Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrags vom Arbeitsvertrag zu beachten ist (BAG, Urteil v. 26.7.1995, 5 AZR 22/94[7]; BAG, Urteil v. 20.8.2003, 5 AZR 610/02).

 

Rz. 11

Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dieses Weisungsrecht bzw. Direktionsrecht kann sowohl Inhalt als auch Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen (BAG, Urteil v. 20.8.2003, 5 AZR 610/03[8]). Die Eingliederung ist rein tatsächlicher Natur. Der Arbeitnehmer ist unabhängig von seiner zeitlichen Einbindung in einen Betrieb eingegliedert (BAG, Beschluss v. 12.6.2019, 1 ABR 5/18). Danach können Arbeitnehmer bei sogenannten Matrix-Strukturen auch in mehrere Betriebe ihres Arbeitgebers zugleich eingegliedert sein (BAG, Beschluss v. 22.10.2019, 1 ABR 13/18).

 

Rz. 12

Bei der Frage, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein freies Dienstverhältnis vorliegt, ist es nicht entscheidend, wie die Parteien das Vertragsverhältnis selbst bezeichnen, denn der rechtliche Status des Arbeitnehmers richtet sich nicht nach den Wünschen und Vorstellungen der Vertragspartner, sondern einzig danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Der wirkliche Vertragsinhalt ist der praktischen Durchführung des Vertrags selbst zu entnehmen. Weichen ausdrücklich getroffene Vereinbarung und praktische Durchführung voneinander ab, so ist die tatsächliche Handhabung maßgeblich, denn sie lässt Rückschlüsse darauf zu, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien selbst tatsächlich ausgehen (BAG, Urteil v. 20.8.2003, 5 AZR 610/02). Entscheidend für die Abgrenzung sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung oder andere formelle Merkmale wie etwa Abführung von Umsatzsteuer oder Gewerbeanmeldung.[9]

 

Rz. 13

Ein wesentliches Merkmal für die Arbeitnehmereigenschaft ist die Pflicht, die geschuldete Leistung grundsätzlich persönlich zu erbringen. Ist der aus dem Vertragsverhältnis Verpflichtete berechtigt, die von ihm geschuldete Leistung durch Dritte erbringen zu lassen, so spricht dies in aller Regel gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil v. 19.11.1997, 5 AZR 653/96[10]).

[1] Fitting, § 5 Rz. 15; Löwisch/Kaiser, § 5 Rz. 1.
[2] NZA 1993, 334; Löwisch/Kaiser, § 5 Rz. 1.
[3] Fitting, § 5 Rz. 15.
[4] NJW 1997, 2133.
[5] NZA 2004, 808.
[6] MünchArbR/Richardi, § 16 Rz. 19.
[7] BB 1996, 60.
[8] MünchArbR/Richardi, § 16 Rz. 26 ff.
[9] MünchArbR/Richardi, § 24 Rz. 70.
[10] NZA 1998, 364.

2.2 Besondere Arbeitsverhältnisse

 

Rz. 14

Die soeben gegebene allgemeine Definition des Arbeitnehmerbegriffs wurde in einer Zeit entwickelt, in welcher die meisten Arbeitnehmer eine Vollzeitbeschäftigung für einen Arbeitgeber ausübten. Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt hat jedoch dazu geführt, dass neben diesem traditionellen Arbeitnehmerbild zahlreiche Sonderformen von Arbeitsverhältnissen entstanden sind. So hat in den letzten Jahren die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse und der in Teilzeit Beschäftigten zugenommen. Daneben si...

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