1 Allgemeines

 

Rz. 1

Mit dem Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001[1] wurden zwar die Unterteilung der Arbeitnehmer in Arbeiter und Angestellte und die daran anschließenden Vorschriften, die eine ausgewogene Berücksichtigung beider Arbeitnehmergruppen erreichen sollten, gestrichen. § 15 BetrVG hält demgegenüber an einzelnen Regeln fest, die nach bestimmten Kriterien ausgewogene Besetzungen des Betriebsrates fördern sollen. Die Berücksichtigung der Geschlechter wurde durch das vorgenannte Gesetz von einer Soll-Vorschrift in eine schärfere Muss-Vorschrift umgewandelt. Als Folge dieser Änderung wurde in die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz eine neue Regelung eingearbeitet, die die Mindestquote sichern soll, die aber jedes Wahlverfahren entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers verkompliziert.

[1] BGBl. I, Seite 1852.

2 Berücksichtigung der Organisationsbereiche

 

Rz. 2

§ 3 BetrVG und § 4 BetrVG ermöglichen sehr weitgehende Änderungen der Organisationsstruktur von Betriebsräten. Hierin können ebenso wie schon im herkömmlich zu bildenden Betriebsrat sehr unterschiedlich angelegte Abteilungen oder darüber hinausgehende Organisationsbereiche vereint sein. Bei unternehmensübergreifenden oder regionalen Betriebsräten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG können sogar sehr unterschiedliche Betriebe einen gemeinschaftlichen Betriebsrat wählen müssen. Diesen Umständen trägt § 15 Abs. 1 BetrVG Rechnung, indem er anordnet, dass der Betriebsrat sich möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche zusammensetzen soll. Die Vorschrift enthält keine bindende Verpflichtung. Verstöße gegen die Vorschrift führen nicht zur Unwirksamkeit der Wahl. Dennoch sind alle Beteiligten der Betriebsratswahl einschließlich des Wahlvorstandes (vgl. § 3 Abs. 3 WO BetrVG) gehalten, die entsprechende Zusammensetzung des Betriebsrates auch schon durch ein Hinwirken auf entsprechende Wählerlisten anzustreben. Unzulässig wäre jede weitere Berücksichtigung der Unterschiede im Wahlverfahren, beispielsweise durch getrennte Teilwahlen in den unterschiedlichen Organisationsbereichen.[1]

[1] Nicolai in Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai/Rose, BetrVG, § 15 Rz. 8.

3 Berücksichtigung der Beschäftigungsarten

 

Rz. 3

§ 15 Abs. 1 BetrVG ordnet ferner an, dass der Betriebsrat sich möglichst aus Arbeitnehmern der verschiedenen Beschäftigungsarten im Betrieb zusammensetzen soll. Auch diese Vorschrift enthält keine bindende Verpflichtung. Verstöße gegen sie führen nicht zur Unwirksamkeit der Wahl.

 

Beispiele für Beschäftigungsarten:

Facharbeiter (verschiedener Berufe), ungelernte Arbeiter, Hilfsarbeiter, Kraftfahrer, Reinigungspersonal, verschiedene Angestelltenkategorien, z. B. kaufmännische, technische, naturwissenschaftliche Angestellte.[1]

Auch hinsichtlich der Beschäftigungsarten ist die Zusammensetzung des Betriebsrats eine reine "Soll-Vorschrift". Es ist zwar Aufgabe aller Beteiligten, eine entsprechende Zusammensetzung des Betriebsrates anzustreben. Wird dies nicht erreicht, unterbleiben aber Sanktionen.

[1] Fitting, § 15 BetrVG Rz. 9.

4 Berücksichtigung des Minderheitsgeschlechts

 

Rz. 4

§ 15 Abs. 2 BetrVG ordnet an, dass dasjenige Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss, wenn der Betriebsrat aus mindestens 3 Mitgliedern besteht. Aus der früheren Soll-Vorschrift hat das Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vom 23. Juli 2001[1] eine Muss-Vorschrift gemacht. § 15 Abs. 2 BetrVG spricht nur von einem Geschlecht in der Minderheit. Aus der Ausführungsvorschrift des § 5 WahlOBetrVG wird dann ausdrücklich deutlich, dass das Gesetz noch von zwei Geschlechtern ausgeht, Männern und Frauen. Rein praktisch wird dies wahrscheinlich in den allermeisten Fällen keine Auswirkungen haben: Das dritte Geschlecht oder die dritten Geschlechter werden meist kaum Anteile an der Belegschaft erreichen, die einen "Quotensitz" im Betriebsrat gewähren würden. Zudem wird es dem Wahlvorstand schwer werden, diejenigen Geschlechtsangehörigen zu ermitteln, die sich nicht geoutet haben.

An der Verfassungsmäßigkeit des § 15 Abs. 2 BetrVG bestehen erhebliche Zweifel, selbst wenn § 15 Abs. 2 BetrVG auch das dritte Geschlecht berücksichtigen würde. Die auch für die Betriebsratswahl geltenden Grundsätze der formalen Wahlgleichheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) werden durch die Bevorzugung des Minderheitengeschlechts verletzt. Das BAG hält die Regelung dennoch für verfassungskonform (BAG, Beschluss v. 16.3.2005, 7 ABR 40/04 und vorhergehend LAG Köln, Beschluss v. 31.3.2004, 3 TaBV 12/03). Die Regelung des § 15 Abs. 2 BetrVG und der in § 15 Abs. 5 Nr. 2 WO BetrVG vorgesehene Listensprung[2] verstoßen nach Ansicht des BAG nicht gegen den nach Art. 3 Abs. 1 GG bestehenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl, denn Art. 3 Abs. 2 GG gestatte Maßnahmen wie § 15 Abs. 2 BetrVG, die zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter dienten. Aus gleichem Grund verstoße § 15 Abs. 2 BetrVG auch nicht gegen das Verbot der Geschlechterdiskriminierung in Art. 3 Abs. 3...

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