5.1 Form, Rechtsfolgen

 

Rz. 77

Der Betriebsrat kann bei geplanten ordentlichen Kündigungen widersprechen, wenn er einen der in § 102 Abs. 3 Nr. 1–5 BetrVG genannten Gründe für gegeben ansieht. Der Widerspruch muss innerhalb der dem Betriebsrat zustehenden Äußerungsfrist[1] gegenüber dem Arbeitgeber unter Angabe von Gründen schriftlich erhoben werden (§ 102 Abs. 2 BetrVG). Der Betriebsrat hat den in Betracht kommenden Tatbestand unter Hinweis auf einen der in § 102 Abs. 3 Nr. 1–5 BetrVG abschließend genannten Gründe darzulegen. Eine reine Wiederholung des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus (LAG München, Urteil v. 16.8.1995, 9 Sa 543/95). Die konkrete Begründung braucht nicht einleuchtend zu sein, es genügt, dass die vom Betriebsrat angeführten Widerspruchsgründe es als möglich erscheinen lassen, dass einer der gesetzlich genannten Widerspruchsgründe vorliegt (LAG München, Urteil v. 16.8.1995, 9 Sa 543/95). Nicht ausreichend ist die Angabe von Leerformeln ohne konkreten Inhalt, Gerüchten oder Vermutungen ohne nachprüfbare Substanz oder bloße Andeutungen.[2]

 
Hinweis

Beruft sich der Betriebsrat auf das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes, auf dem der zu kündigende Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden könnte, ist dieser konkret zu benennen. Die Vermutung oder die globale Angabe, dass andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen oder vorhanden sein müssten, reicht nicht aus (BAG, Urteil v. 17.6.1999, 2 AZR 608/98[3]).

 

Rz. 78

Die wesentliche Rechtsfolge eines Widerspruchs durch den Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf vorläufige Weiterbeschäftigung gem. § 102 Abs. 5 BetrVG[4] sein. Dazu ist erforderlich, dass der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung fristgemäß[5] und ordnungsgemäß[6] widerspricht.

 

Rz. 79

Der Betriebsrat kann auch einer außerordentlichen Kündigung widersprechen, obwohl dies in § 102 Abs. 3 BetrVG nicht vorgesehen ist. Er bewirkt allerdings nicht die Rechtsfolge des § 102 Abs. 5 BetrVG.

 
Hinweis

Wird einem (aufgrund Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt, ist § 102 Abs. 5 BetrVG entsprechend anwendbar (BAG, Urteil v. 5.2.1998, 2 AZR 227/97[7]).

 

Rz. 80

Vor einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem tariflich "unkündbaren" Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber alle zumutbaren, eine Weiterbeschäftigung ermöglichenden Mittel ausschöpfen. Der Betriebsrat kann deshalb darlegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers vorstellt. Dann genügt es – jedenfalls im Kündigungsschutzprozess – nicht, dass der Arbeitgeber das Bestehen entsprechender freier Arbeitsplätze in Abrede stellt; vielmehr muss der Arbeitgeber ggf. unter Vorlegung der Stellenpläne substanziiert darlegen, weshalb das Freimachen eines geeigneten Arbeitsplatzes oder dessen Schaffung durch eine entsprechende Umorganisation nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll. Auch das zu erwartende Freiwerden eines geeigneten Arbeitsplatzes aufgrund üblicher Fluktuation ist zu berücksichtigen (BAG, Urteil v. 17.9.1998, 2 AZR 419/97[8]).

[1] Vgl. Rz. 63 ff.
[2] APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 189.
[3] NZA 1999, 1154.
[4] Vgl. Rz. 107 ff.
[5] Vgl. Rz. 52 ff.
[6] Vgl. Rz. 66.
[7] NZA 1998, 771.
[8] NZA 1999, 258.

5.2 Widerspruchsgründe

5.2.1 Fehlerhafte soziale Auswahl

 

Rz. 81

Dieser Widerspruchsgrund stimmt mit § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG überein, kommt also nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht. Zu vergleichen sind alle austauschbaren Arbeitnehmer eines Betriebs, nicht die des gesamten Unternehmens. Der Betriebsrat muss nicht einzelne Arbeitnehmer namentlich benennen, die er als sozial besser gestellt ansieht, er muss aber den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zumindest hinreichend bestimmt oder bestimmbar angeben.

 

Rz. 82

Macht der Betriebsrat mit seinem Widerspruch geltend, der Arbeitgeber habe zu Unrecht Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einbezogen, müssen diese Arbeitnehmer vom Betriebsrat entweder konkret benannt oder anhand abstrakter Merkmale aus dem Widerspruchsschreiben bestimmbar sein (BAG, Urteil v. 9.5.2003, 5 AZR 305/02[1]). Dies folgt aus dem Regelungszusammenhang von § 102 Abs. 3 Nr. 1 mit § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. Das Arbeitsgericht kann den Arbeitgeber nur dann im Wege der einstweiligen Verfügung von der Weiterbeschäftigungspflicht wegen eines offensichtlich unwirksamen Widerspruchs nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG entbinden, wenn sich aus dem Widerspruch des Betriebsrats hinreichend deutlich ergibt, welche Arbeitnehmer im Hinblick auf ihre soziale Schutzwürdigkeit zu vergleichen sein sollen. Den hierfür erforderlichen Sachvortrag kann der Arbeitgeber nur leisten, wenn der oder die nach Auffassung des Betriebsrats weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer jedenfalls identifizierbar sind.

 

Rz. 83

Zur Begründung des Widerspruchs nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG ist weiter erforderlich, dass der Betriebsrat plausibel darlegt, warum ein anderer Arbeitnehmer sozial weniger schutzwürdig sei. Hierzu sind zwar nicht ...

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