Rz. 23

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG stehen Entlassungen anderen Beendigungen des Arbeitsverhältnisses gleich, die vom Arbeitgeber veranlasst werden. Dies entspricht im Wesentlichen Art. 1 Abs. 1, letzter Satz der MERL. In Konsequenz der Junk-Entscheidung des EuGH ist § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG bei Neufällen dahingehend zu verstehen, dass der – ordentlichen, gleich aus welchem Grund ausgesprochenen (vgl. Rz. 82 ff.) – arbeitgeberseitigen Kündigung alle vom Arbeitgeber veranlassten und auf die endgültige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Handlungen gleichstehen.

 

Rz. 24

Zu den in Betracht kommenden Beendigungshandlungen zählen die vom Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung[1] und der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung[2], auch wenn Letzteres im Rahmen eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs[3] oder im Rahmen eines dreiseitigen Vertrags, z. B. im Zusammenhang mit dem Übergang in eine Transfergesellschaft (BQG) geschieht[4]. Mitzuzählen bei der Berechnung des Schwellenwerts sind jedenfalls die Arbeitnehmer, bei denen im Zeitpunkt der Massenentlassungsanzeige noch nicht feststeht, dass sie in eine Transfergesellschaft wechseln werden[5] (vgl. Rz. 86). Der Arbeitnehmer kann in einem vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrag nicht wirksam auf den Kündigungsschutz nach §§ 17 ff. KSchG verzichten (Rz. 13).

 

Rz. 25

Nicht unter § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG fallen hingegen die Vereinbarung einer Befristung[6] oder auflösenden Bedingung hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses (arg. e. Art. 1 Abs. 2 lit. a MERL), die Anfechtung des Arbeitsvertrags oder die Berufung auf die Rechtsfolgen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses.[7]

 

Rz. 26

Die Arbeitnehmerkündigung bzw. der Abschluss des Aufhebungsvertrags sind im Rahmen der Vorschriften über die Massenentlassungsanzeige jedoch nur relevant, wenn sie vom Arbeitgeber veranlasst wurden. Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Reorganisation oder eine konkrete Kündigungsabsicht bestimmt, selbst zu kündigen bzw. einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, um auf diese Weise eine sonst notwendig werdende Kündigung zu vermeiden.[8] Dem betroffenen Arbeitnehmer muss deutlich werden, dass infolge der Reorganisation oder der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers sein konkreter Arbeitsplatz gefährdet ist. Das ist etwa der Fall, wenn der Arbeitgeber durch eine Mitteilung an den betreffenden Arbeitnehmer (z. B. im Gespräch, per Aushang oder Rundschreiben, auf der Betriebsversammlung etc.) seine Personalreduzierungsabsicht bekannt gibt und empfiehlt, sich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen oder, wenn er dem Arbeitnehmer mitteilt, nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigung mehr für ihn zu haben.[9] Eine arbeitgeberseitige Veranlassung ist auch gegeben, wenn der Arbeitnehmer in einer Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG aufgenommen wird. Nicht ausreichend ist hingegen der bloße Hinweis des Arbeitgebers auf die unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen ohne Angabe von Einzelheiten oder der allgemeine Rat, sich angesichts der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft eine neue Stelle zu suchen.[10] Erforderlich ist ein Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen der vom Arbeitgeber kommunizierten Arbeitsplatzgefährdung und der Eigenkündigung des Arbeitnehmers bzw. des Aufhebungsvertragsabschlusses. Daran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer 3 Monate nach der Ankündigung einer Betriebsänderung kündigt und zu diesem Zeitpunkt keinen Grund mehr für die Annahme hatte, dass ihm im Zeitpunkt des Personalabbaus gekündigt werde.[11] Es gelten dieselben Grundsätze wie bei § 112a Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Durch den Arbeitgeber veranlasst ist ein Aufhebungsvertrag oder eine Eigenkündigung, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf konkret geplante Personalmaßnahmen die berechtigte Annahme hervorgerufen hat, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers zuvor.[12] Unerheblich für die Frage der Veranlassung der Beendigungshandlung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung zahlt oder nicht.[13]

 

Rz. 27

Da vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigungen des Arbeitnehmers sowie Aufhebungsvereinbarungen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG generell der Entlassung i. S. d. arbeitgeberseitigen Kündigung gleichstehen, sind – wie bei der Arbeitgeberkündigung – im Fall eines Verstoßes gegen die Anzeigepflicht die Eigenkündigung bzw. der Aufhebungsvertrag unwirksam.

[1] Kleinebrink/Commandeur, FA 2017, 290, 292; a. A. Dzida/Hohenstatt, DB 2006, 1897, 1900.
[2] BAG, Urteil v. 19.3.2015, 8 AZR 119/14, BeckRS 2015, 70521, Rz. 40, 48; Lingemann/Otte, DB 2015, 2640, 2641.
[3] HWK/Molkenbur, § 17 KSchG Rz. 15.
[4] BAG, Urteil v. 8.11.2007, 2 AZR 314/06, NJW 2008, 1336, Rz. 33; Lembke, BB 2004, 773, 775; Seidel/Wagner, BB 2018, 692, 693; Ries, NZI 2002, 578, 580.

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