Rz. 76

Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB ist eine zwangsläufige Konsequenz aus dem zum Schutz der Arbeitnehmer angeordneten Übergang des Arbeitsverhältnisses, der ohne dieses Verbot vereitelt würde (vgl. BAG, Urteil v. 2.3.2006, 8 AZR 124/05; BAG, Urteil v. 21.7.1994, 8 AZR 227/93[1]). § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot i. S. v. § 13 Abs. 3 KSchG, § 134 BGB und stellt nicht nur die Sozialwidrigkeit einer Kündigung klar, die nach dem Maßstab des § 1 KSchG zu beurteilen ist (BAG, Urteil v. 31.1.1985, 2 AZR 530/83[2]). Das Verbot gilt auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht unter den Geltungsbereich des KSchG fällt, und zwar für jede Art von Kündigung, d. h. auch für die ordentliche, die außerordentliche und die Änderungskündigung.

 

Rz. 77

§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ordnet lediglich ein Kündigungsverbot "wegen" des Betriebsübergangs an. Nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB ist jedoch eine Kündigung aus anderen Gründen möglich. Die Norm gewährt damit keinen absoluten Bestandsschutz gegen Kündigungen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Sie verbietet es nur, gerade den Betriebsübergang zum Anlass für eine Kündigung zu nehmen.

 
Hinweis

Eine Kündigung erfolgt nur dann "wegen des Betriebsübergangs" i. S. d. § 613a BGB, wenn dieser der tragende Grund und nicht nur der äußere Anlass für die Kündigung ist.

Das Kündigungsverbot ist deshalb nicht einschlägig, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag, denn es schützt nicht vor Risiken, die sich jederzeit unabhängig vom Betriebsübergang aktualisieren können (BAG, Urteil v. 28.10.2004, 8 AZR 391/03[3]). Trägt der Arbeitgeber allerdings vor, dass er gekündigt habe, weil ein potenzieller Erwerber von ihm die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses verlange, d. h. auf ihn Druck ausgeübt habe, erfolgt die Kündigung unter Verstoß gegen § 613a BGB (Hessisches LAG, Urteil v. 2.2.1989, 9 Sa 1023/88[4]). Gleiches gilt, wenn ein Arbeitgeber vorträgt, dass ein potenzieller Erwerber die Beendigung eines oder mehrerer konkreter Arbeitsverhältnisse zur Bedingung für eine spätere Verwirklichung eines Betriebsübergangs macht (BAG, Urteil v. 18.7.1996, 8 AZR 127/94[5]).

 

Rz. 78

Ein Betriebsübergang ist dann nicht der tragende Grund für die Kündigung, wenn das Arbeitsverhältnis des Gekündigten von einem etwaigen Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB gar nicht erfasst würde, z. B. weil einem Arbeitnehmer deshalb gekündigt wird, weil durch den Übergang anderer Betriebsteile – denen der Gekündigte nicht angehört – der Beschäftigungsbedarf für ihn zurückgeht oder entfällt. Wird der Arbeitnehmer vom Betriebsübergang nur mittelbar betroffen, kommt eine Umgehung des § 613a Abs. 1 BGB und damit auch die Anwendung des § 613a Abs. 4 BGB nicht in Betracht (BAG, Urteil v. 17.6.2003, 2 AZR 134/02[6]).

 

Rz. 79

Zur Beurteilung, ob die Kündigung wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen worden ist, ist ausschließlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung, also bei Zugang der Kündigung abzustellen.

 

Rz. 80

§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB besagt nicht, dass ein Betriebsübergang im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung stattfinden muss.[7] Das Kündigungsverbot kann auch dann eingreifen, wenn die Kündigung nach dem Betriebsübergang ausgesprochen wird (BAG, Urteil v. 27.10.2005, 8 AZR 568/04[8]).

[4] LAGE § 613a BGB Nr. 16.
[5] AP BGB 613a Nr. 147; zum Ganzen Commandeur/Kleinebrink, BB 2012, S. 1857, 1859.
[6] AP BGB § 613a Nr. 260; vgl. in diesem Zusammenhang auch BAG, Urteil v. 28.8.2003, 2 AZR 377/02, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 134 zur Vermutungswirkung des § 128 Abs. 2 InsO.
[7] Vgl. KR/Treber, 11. Aufl. 2016, § 613a BGB, Rz. 184.

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