Rz. 35

Nach europäischem Recht ist die Anwendung des § 613a BGB in der Insolvenz nicht geboten. Dies belässt den Mitgliedstaaten jedoch die Möglichkeit, unabhängig vom Gemeinschaftsrecht die Grundsätze der Richtlinie 2001/23/EG auf einen solchen Übergang anzuwenden.[1] Nur eingeschränkt anwendbar ist § 613a BGB, wenn über das abgebende Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet ist (zu den Grundsätzen BAG, Urteil v. 22.10.2009, 8 AZR 766/08[2]). Insbesondere steht dem Insolvenzverwalter das Sonderkündigungsrecht der InsO zu (BAG, Beschluss v. 29.6.2000, 8 ABR 44/99[3]). § 125 InsO ist jedoch ausschließlich im Fall von Betriebsänderungen, insbesondere der Betriebsstilllegung, anzuwenden (vgl. dazu auch für die Abfindung von Ansprüchen auf betriebliche Altersversorgung BAG, Urteil v. 22.12.2009, 3 AZR 814/07[4]). Der Übergang des Betriebs stellt grds. keine solche Betriebsänderung dar (BAG, Urteil v. 26.4.2007, 8 AZR 695/05[5]). Zudem ist die Haftung des Betriebserwerbers nach § 613a Abs. 2 BGB eingeschränkt, soweit sie Ansprüche betrifft, die dem insolvenzrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedung unterliegen (BAG, Beschluss v. 9.12.2009, 7 ABR 90/07[6]). Es sind zahlreiche Einzelfragen zu beachten (vgl. BAG, Urteil v. 10.4.2008, 6 AZR 368/07[7]).

 

Rz. 36

Auch unter der InsO haftet – wie schon vorher unter der Konkursordnung[8] – der Betriebserwerber für rückständige Forderungen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), dies aber nur eingeschränkt (BAG, Urteil v. 20.6.2002, 8 AZR 459/01[9]). Soweit die besonderen Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts eingreifen, gehen diese als Spezialregelung vor.[10] Würden die übernommenen Arbeitnehmer gem. § 613a BGB einen neuen Schuldner für bereits entstandene Ansprüche erhalten, wären sie im Vergleich zu anderen Gläubigern und auch gegenüber den ausgeschiedenen Arbeitnehmern bevorrechtigt (BAG, Urteil v. 4.7.1989, 3 AZR 756/87[11]). Besondere Verteilungsgrundsätze bestehen allerdings nur hinsichtlich der Forderungen, die ein Gläubiger als Insolvenzgläubiger geltend zu machen hat (§§ 38, 174 ff. InsO). Dagegen sind Forderungen, die sich als Masseverbindlichkeiten gegen die Insolvenzmasse richten, aus dieser ohne irgendwelche Beschränkungen vorweg zu berichtigen (§ 53 InsO). Die insolvenzrechtliche Beschränkung des Eintritts der Haftung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergreift deshalb lediglich Insolvenz-, nicht jedoch Masseforderungen (BAG, Urteil v. 19.10.2004, 9 AZR 645/03[12]).

 

Rz. 37

Die Haftung des Betriebserwerbers ist außerdem nicht beschränkt, wenn er den Betrieb schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens übernommen hat (BAG, Urteil v. 20.6.2002, 8 AZR 459/01[13]). Gleiches gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde (BAG, Urteil v. 20.11.1984, 3 AZR 584/83[14]).

[2] AP § 115 SGB X Nr. 16; BAG, Urteil v. 25.10.2007, 8 AZR 917/06, AP BGB § 613a Nr. 333; zum Altersteilzeitverhältnis im Blockmodell BAG, Urteil v. 30.10.2008, 8 AZR 54/07, NZA 2009 S. 432; vgl. auch ErfK/Preis, 18. Aufl. 2018, § 613a BGB, Rz. 128 f.
[3] NZA 2000, 1180.
[4] NZA 2010, 568; vgl. zum Grundsatz auch LAG Niedersachsen, Urteil v. 9.12.2009, 17 Sa 850/09, LAGE InsO § 125 Nr. 9.
[5] AP § 125 InsO Nr. 4.
[9] AP InsO § 113 Nr. 10; zum Ganzen ausführlich Lembke, BB 1007, S. 1335 ff.
[10] Das gilt auch für Vergütungsansprüche in der Freizeitphase der Altersteilzeit: BAG, Urteil v. 30.10.2008, 8 AZR 54/07, AP BGB § 613a Nr. 357, NZA 2009, 432; vgl. dazu Richter/Nacewicz, ZIP 2008, S. 256 ff.
[11] AP BetrAVG § 1 Betriebsveräußerung Nr. 10.

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