2.1.1 Betrieb

 

Rz. 6

Betrieb ist nach der Rechtsprechung des EuGH und dem folgend des BAG (EuGH, Urteil v. 11.7.2018, C-60/17[1]) eine auf Dauer angelegte, ihre Identität bewahrende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

 

Rz. 7

Der Übergang eines Betriebs setzt voraus, dass dieser seine Identität bewahrt (EuGH, Urteil 6.3.2014, C-458/12[2]). Erforderlich für die Bewahrung der Identität ist eine ausreichende funktionelle Autonomie des Betriebs. Der Begriff Autonomie bezieht sich dabei auf die Befugnisse, die der Leitung der zur Einheit gehörenden Gruppe von Arbeitnehmern eingeräumt sind, um die Arbeit dieser Gruppe relativ frei und unabhängig zu organisieren und insbesondere Weisungen zu erteilen und Aufgaben auf die zu dieser Gruppe gehörenden untergeordneten Arbeitnehmer zu verteilen, ohne dass andere Organisationsstrukturen des Arbeitgebers dazwischen geschaltet sind (EuGH, Urteil v. 13.6.2019, C-664/17[3]). Erforderlich für die Anwendungen des § 613a BGB ist es, dass eine so geartete wirtschaftliche Einheit übergeht (BAG, Urteil v. 27.4.2017, 8 AZR 859/15[4]). Bei der Prüfung, ob eine solche wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören

  • die Art des Unternehmens oder des Betriebs,
  • der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter,
  • der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs,
  • die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber,
  • der etwaige Übergang der Kundschaft sowie
  • der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer evtl. Unterbrechung dieser Tätigkeit.

Je nach Art des betreffenden Betriebs, je nach ausgeübter Tätigkeit und je nach Produktions- oder Betriebsmethoden kommt diesen Kriterien unterschiedliches Gewicht zu. Maßgeblich ist eine Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalles (EuGH, Urteil v. 11.07.2018, C-60/17[5]). Zur weitergehenden Systematisierung unterscheidet die Rechtsprechung zwischen betriebsmittelgeprägten und nicht betriebsmittelgeprägten Betrieben.

[2] NZA 2014, 423.
[3] NZA 2019, 889.
[4] AP Nr. 469 zu § 613a BGB.

2.1.2 Übergang eines Betriebsteils

 

Rz. 8

Legt man die oben genannten Kriterien zugrunde, spielt es keine wesentliche Rolle, ob ein Betrieb oder ein Betriebsteil übergeht. Bei den übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln muss es sich um wesentliche Betriebsmittel einer organisatorischen Untergliederung handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck verfolgt, auch wenn es sich nur um eine untergeordnete Hilfsfunktion handelt (BAG, Urteil v. 21.5.2008, 8 AZR 481/07[1]). § 613a BGB setzt für den Teilbetriebsübergang nach ständiger Rechtsprechung des BAG voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten, also organisatorisch verselbstständigt waren (BAG, Urteil v. 17.12.2009, 8 AZR 1019/08[2]; ebenso EuGH, Urteil v. 6.3.2014, C-458/12 (Amatori)[3]). Unerheblich ist auch, ob der verbliebene Restbetrieb auf Dauer lebensfähig ist (BAG, Urteil v. 7.4.2011, 8 AZR 730/09[4]).

 

Rz. 9

Der Betriebsübergang folgt aus der Wahrung der Identität des Betriebsteils beim Erwerber und nicht aus dem Untergang der früheren Identität des Gesamtbetriebs (BAG, Urteil v. 13.11.1997, 8 AZR 375/96[5]). Ein Erwerber, der lediglich einzelne Betriebsmittel zur Erfüllung seiner bereits ausgeübten Tätigkeit erwirbt, übernimmt i. d. R. keinen Teilbetrieb (BAG, Urteil v. 18.3.1999, 8 AZR 196/98[6]).

 

Rz. 10

Noch nicht eindeutig geklärt ist die Frage, inwieweit es der Bewertung als funktionelle Einheit – und damit dem Vorliegen eines Betriebsteils – entgegensteht, wenn in einer Unternehmenssparte wechselnde Ressourcen eingesetzt werden und diese Personalsparten übergreifend rotieren. Das soll zumindest kein zwingendes Ausschlusskriterium sein (BAG, Urteil v. 27.2.2020, 8 AZR 215/19[7]).

 

Rz. 11

Der Übergang eines Arbeitsverhältnisses setzt voraus, dass der Arbeitnehmer dem übertragenen Betriebsteil zuzuordnen ist (BAG, Urteil v. 17.10.2013, 8 AZR 763/12[8]). Bei der Tätigkeit eines Arbeitnehmers für mehrere Betriebe oder Betriebsteile oder in einer zentralen Unternehmensorganisation richtet sich die Zuordnung des Arbeitnehmers nach objektiven Kriterien, hierzu zählen insbesondere die Funktion des Arbeitsplatzes, der Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers und eine tatsächliche Eingliederung in den Betrieb oder Betriebsteil (BAG, Urteil v. 20.7.1982, 3 AZR 261/80[9]).

 

Rz. 12

Für die Frage, welchem Betrieb oder Betriebsteil ein Arbeitnehmer zugeordnet ist, kommt es zunächst auf den Willen der Arbeitsvertragsparteien an...

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