Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags (normativer Teil) erfassen nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend die beidseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Tarifgebunden sind nach § 3 Abs. 1 TVG die Mitglieder der Tarifvertragsparteien (also die Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbandsmitglieder) sowie der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist (bei einem Firmen- oder Haustarifvertrag). Allerdings gelten Normen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen (vgl. insbesondere die Regelungsmaterien aus § 87 Abs. 1 BetrVG) bereits dann, wenn allein der Arbeitgeber tarifgebunden ist, § 3 Abs. 2 TVG.

 
Praxis-Beispiel

In einem Tarifvertrag ist geregelt, dass der Arbeitgeber eine Torkontrolle (Überprüfung der Taschen und Rucksäcke der Arbeitnehmer) durchführen darf. Hier handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Frage, weil die Torkontrolle nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist. Deshalb reicht nach § 3 Abs. 2 TVG die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers aus. Also müssen sich auch die Nichtgewerkschaftsmitglieder entsprechend kontrollieren lassen.

Tarifverträge können jedoch auch – je nach Geltungsbereich – vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung oder von den Arbeitsministerien der Länder nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dann haben sie für den jeweiligen Geltungsbereich nach § 5 Abs. 4 TVG für tarifungebundene Parteien dieselbe unmittelbare und zwingende Wirkung wie für tarifgebundene.

Der Geltungsbereich eines Tarifvertrags ergibt sich aus diesem selbst und ist grundsätzlich in dessen ersten Paragraphen geregelt. Er unterfällt generell in einen persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich.

Möglich ist zudem, dass nicht tarifgebundene und nicht von einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasste Arbeitgeber und Arbeitnehmer – auch stillschweigend (konkludent)- durch Einzelvertrag vereinbaren, einen Tarifvertrag entweder statisch (in der zur Zeit der Vereinbarung geltenden Fassung) oder dynamisch (in der jeweils aktuell geltenden Fassung) anzuwenden.

Der normative Teil des Tarifvertrags wirkt für die Tarifgebundenen wie ein Gesetz unmittelbar auf das einzelne Arbeitsverhältnis ein. Allerdings muss dennoch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 Nachweisgesetz (grds. im Arbeitsvertrag) in allgemeiner Form auf die Geltung des jeweiligen Tarifvertrags hingewiesen und dieser gem. § 8 TVG an geeigneter Stelle im Betrieb ausgelegt werden. Geschieht dies nicht, können sich Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers ergeben.

Die "Einstufung" oder "Eingruppierung" in Lohngruppen ist keine vom Arbeitgeber vorzunehmende Handlung, sondern erfolgt grundsätzlich unmittelbar und automatisch durch die vom Arbeitnehmer auszuübende und ausgeübte Tätigkeit, wenn sich aus dem Tarifvertrag nichts anderes ergibt.[1] Die Eingruppierung durch den Arbeitgeber ist also nur ein Akt der Rechtsanwendung. Deshalb kann sich eine Klage nicht auf Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungsgruppe richten, sondern es muss auf Zahlung der Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe geklagt werden.

Der sachliche Geltungsbereich der Tarifnormen bestimmt sich danach, welchem Wirtschaftszweig ein Betrieb überwiegend angehört. Hierbei ist die von den Arbeitnehmern des Betriebs überwiegend ausgeübte und so den Charakter des Betriebs prägende Tätigkeit entscheidend (z. B. Schlosser in Bergbauunternehmen unterstehen dem Bergbautarifvertrag).

Die Tarifvertragsnormen sind Rechtsnormen, und zwar grundsätzlich zwingendes Recht. Sie können jeden für Arbeitsverhältnisse sowie zur Ordnung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen zulässigen Inhalt haben. Sie dürfen aber keine Bestimmungen enthalten, die gegen zwingende Vorschriften insbesondere des Grundgesetzes, arbeitsrechtlicher Gesetze und Verordnungen verstoßen. Zuwiderlaufende Bestimmungen sind gemäß § 134 BGB nichtig. In zahlreichen Fällen gestattet das Gesetz aber, durch Tarifvertragsnormen Abweichungen von zwingenden gesetzlichen Vorschriften einzuführen (z. B. § 13 BUrlG, § 12 Abs. 3 TzBfG, § 622 Abs. 4 BGB, § 4 Abs. 4 EFZG, §§ 7, 12 ArbZG).

Tariflohn ist Mindestlohn, sodass es dem Arbeitgeber unbenommen ist, im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes an seine Arbeitnehmer übertarifliche Löhne zu zahlen. Will der Arbeitgeber den übertariflichen Lohn wieder auf den Tariflohn herabsetzen, bedarf es der Einwilligung des Arbeitnehmers oder einer Änderungskündigung. Zudem ist, wenn sich dadurch das betriebliche Gehaltsgefüge ändert, bei nichttarifgebundenen Arbeitgebern das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu beachten.[2]

Abweichungen vom Tarifvertrag sind für die Tarifgebundenen nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind (Öffnungsklausel) oder eine Änderung der Regelung zugunsten des Arbeitnehmers enthalten (Günstigkeitsprinzip), § 4 Abs. 3 TVG. Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den ...

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