BAG, Urteil v. 19.12.2019, 8 AZR 2/19

Eine Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 8 Abs. 1 AGG kann in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung geht und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Sachverhalt

Im Juni 2017 hatte sich der Kläger erfolglos bei der Beklagten, einer genehmigten Privatschule in Bayern, auf die für eine "Fachlehrerin Sport (w)" ausgeschriebene Stelle beworben. Er klagte auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, da die Beklagte ihn seiner Ansicht nach wegen seines Geschlechts benachteiligt habe. Diese vertrat jedoch die Auffassung, dass die Nichtberücksichtigung des Klägers im Stellenbesetzungsverfahren nach § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt gewesen sei, da das Schamgefühl von Schülerinnen beeinträchtigt werden könne, wenn es bei Hilfestellungen im – nach Geschlechtern getrennt durchgeführten – Sportunterricht zu Berührungen der Schülerinnen durch männliche Sportlehrkräfte komme oder diese die Umkleideräume betreten müssten, um dort für Ordnung zu sorgen.

Die Entscheidung

Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hatte diese vor dem BAG Erfolg.

Das Gericht entschied, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG habe; denn eine Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 8 Abs. 1 AGG könne in unionsrechtskonformer Auslegung nur zulässig sein, wenn es um den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung gehe und ein geschlechtsbezogenes Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstelle, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Im vorliegenden Fall jedoch hatte die Beklagte nicht entsprechend dargelegt, dass für die streitgegenständliche Stelle ein geschlechtsbezogenes Merkmal eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung i. S. v. § 8 Abs. 1 AGG sei.

Da das BAG über die Höhe der Entschädigung aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden konnte, wurde die Sache an dieses zurückverwiesen.

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