0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist aufgrund des Art. 2 des Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) v. 10.2.2020 (BGBl. I S. 148) mit Wirkung zum 1.3.2020 eingeführt worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift gehört zum 4. Kapitel 8. Abschnitt des SGB V der mit Beziehungen zu sonstigen Leistungserbringern überschrieben ist und die §§ 132 bis 134a umfasst.

Mit der Vorschrift ist auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss des Bundestages) in die bisher generell bestehende ärztliche Befugnis zur Ausübung der Heilkunde am Menschen eingegriffen worden, indem mit Wirkung zum 1.3.2020 im Rahmen von Modellvorhaben nur Grippeschutzimpfungen in ausgewählten Modellregionen an gesetzlich krankenversicherten Menschen auch durch entsprechend geschulte Apothekerinnen und Apotheker durchgeführt werden können; alle anderen Arten von Schutzimpfungen bleiben dagegen nach wie vor den Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Die testweisen Grippeschutzimpfungen durch Apotheken stellen eine Ergänzung zu den hauptsächlich durch Ärztinnen und Ärzte durchgeführten Grippeschutzimpfungen dar.

Die Grippe (Influenza) gehört zu den am weitesten verbreiteten saisonalen Krankheiten in Deutschland. Jedes Jahr im Winter greift eine Grippewelle um sich, die regional und lokal unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Auch der zeitliche Verlauf und das Ausmaß der Grippewelle unterscheiden sich von Jahr zu Jahr. Die Grippe verursacht viele Arbeitsausfälle und auch viele Todesfälle gerade unter älteren und/oder vorerkrankten Patientinnen und Patienten. Wie bei vielen anderen Viruserkrankungen ist (außer zur Linderung gelegentlich auftretender Symptome wie Fieber und Schmerzen) keine medikamentöse Behandlung erforderlich, wohl aber eine vorbeugende, jährlich notwendige Impfung gegen bestimmte Virusstämme möglich. In Deutschland definiert die Ständige Impfkommission (STIKO) diejenigen Bevölkerungsgruppen, denen eine Grippeschutzimpfung empfohlen wird. Dazu gehören u. a. ältere Menschen, Schwangere, chronisch kranke Patienten oder medizinisches Personal. Allerdings liegen die Impfquoten regelmäßig zu niedrig, um einen echten Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.

Mit dem Ziel einer Erhöhung der Impfquote bei Grippeschutzimpfungen in Deutschland haben die Krankenkassen oder ihre Landesverbände mit einzelnen Apotheken oder Gruppen von Apotheken oder den Landesapothekerverbänden – wenn diese sie dazu auffordern – Verträge über Modellprojekte in ausgewählten Regionen zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken bei Personen abzuschließen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Apothekerinnen und Apotheker, die diese Grippeschutzimpfungen durchführen, müssen allerdings ärztlich geschult sein. Die Modellvorhaben sind im Regelfall auf längstens 5 Jahre zu befristen und nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Standards zu begleiten und auszuwerten.

Regionale Modellprojekte stellen dabei einen Weg dar, um auszuprobieren, ob und wie das Ziel erreicht werden kann, über Apotheken als niederschwellige Anlaufstellen noch mehr Menschen mit der Grippeschutzimpfung zu erreichen.

2 Rechtspraxis

2.1 Verpflichtung zum Vertragsabschluss

 

Rz. 3

Aufgrund des Abs. 1 Satz 1 sind die Krankenkassen oder ihre Landesverbände rechtlich verpflichtet, in ausgewählten Modellregionen Verträge über Modellvorhaben zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken abzuschließen, sobald sie von einzelnen Apotheken, Gruppen von Apotheken oder den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene dazu aufgefordert werden. Die Initiative, zum Vertragsabschluss zu kommen, liegt aufseiten der Apotheken; sie müssen bereit und in der Lage sein, Grippeschutzimpfungen für Erwachsene in der Apotheke durchzuführen. Die Krankenkassen bzw. die Landesverbände der Krankenkassen können sich einem solchen Vertragsabschluss nicht entziehen (vgl. "haben abzuschließen" in Abs. 1 Satz 1). Eine Verpflichtung zur Durchführung der Modellvorhaben ist nach der Gesetzesbegründung erforderlich, damit entsprechende Modellvorhaben durchgeführt werden und nach Abs. 7 Auswertungen zu den Modellvorhaben vorliegen, während sie laufen bzw. sobald sie abgeschlossen sind.

Die Auswahl der Modellregionen hängt zum einen davon ab, wie viele Versicherte der vertragschließenden Krankenkasse in der Region leben und zum anderen, ob es in der Region einzelne Apotheken oder Gruppen von Apotheken gibt, welche die Grippeschutzimpfungen bei den infrage kommenden impfwilligen Versicherten der Krankenkasse durchführen wollen. Möglich ist nach Abs. 1 Satz 1 aber auch ein Vertragsabschluss auf Landesebene zwischen dem Landesverband der Krankenkassen und dem für die Landesebene zuständigen Apothekerverband.

Ein Vertragsabschluss auf Landesebene bietet sich z. B. im AOK-Bereich geradezu an, weil die einzelne AOK gleichzeitig Krankenkasse und Landesverband ist und sich der Bereich einer AOK i. d. R. auf ein Bundesland bzw. in Nordrhein-Westfalen auf den Landesteil Nordrhe...

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