Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse. Arbeitslosengeld II. Umzug des Leistungsberechtigten. Vorliegen einer wesentlichen Änderung nur in Bezug auf die Unterkunftskosten. Nachschieben von Gründen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Regelbedarf ist ein Umzug schon keine leistungserhebliche Änderung iS von § 48 SGB X. Bei den Kosten der Unterkunft markiert der Umzug eine leistungserhebliche Änderung.

2. Das Nachschieben anderer Gründe, hier eine ungenehmigte Ortsanwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II und Einkommenserzielung, ist unzulässig, wenn dadurch der Aufhebungsbescheid in seinem Wesen verändert wird oder die Rechtsverteidigung unangemessen beeinträchtigt wird.

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 18. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. August 2011 wird aufgehoben

- für die Monate Juli und August 2011 in voller Höhe,

- für den Monat September 2011 bis auf einen Restbetrag von 108,- Euro.

II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem die vorherige Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.07.2011 aufgehoben wurde, weil die Klägerin umgezogen sei.

Die 1964 geborene Klägerin bezog Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Sie wohnte in einer Obdachlosenunterkunft in C-Stadt, für die sie 108,- Euro pro Monat zu bezahlen hatte. Rechtsgrundlage dieser Zahlung war eine Einweisung, kein Mietverhältnis. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bewilligungsbescheid vom 29.03.2011 vorläufig Arbeitslosengeld II für die Monate April bis September 2011 in Höhe von monatlich 472,- Euro.

Am 23.05.2011 (S. 410 der Verwaltungsakte) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ab 21.05.2011 in A-Stadt eine Arbeit als Austrägerin bei der C-Firma mit zehn Wochenstunden gefunden habe. Sie arbeite dort am Freitag und Samstag. Zugleich beantragte sie Fahrtkosten für die auswärtige Arbeitsaufnahme. Am 20.06.2011 teilte die Klägerin dem Beklagten ferner mit, dass sie ein weiteres geringfügiges Beschäftigungsverhältnis in A-Stadt bei der D-Firma gefunden habe. Sie arbeite dort ab 20.06.2011 täglich 2,5 Stunden als Zustellerin.

Am 12.07.2011 stellte die Klägerin beim beigeladenen Jobcenter Landkreis A-Stadt einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Als Wohnort gab sie D-Stadt an. Sie wohne dort bei einer Frau D., wofür sie aber keine Unterkunftskosten geltend machte.

Am 18.07.2011 (S. 446) stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Zustimmung zum Umzug nach D-Stadt. Sie habe dort eine Arbeit gefunden, könne in D-Stadt aber wegen Platzmangel nur vorübergehend wohnen. Unterkunftskosten würden nicht anfallen. Der Hausrat inklusive Möbel müsste vorläufig separat untergebracht werden. Später teilte sie dem Beigeladenen mit, dass sie von 16. bis 31.08.2011 in einer Pension zum Preis von täglich 12,- Euro in E-Stadt untergekommen sei (S. 30 Akte des Beigeladenen).

Mit Bescheid vom 18.07.2011 (S. 443) hob der Beklagte den Bescheid vom 29.03.2011 ab 01.07.2011 in voller Höhe auf gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Die örtliche Zuständigkeit sei nicht mehr gegeben, da der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin in D-Stadt liege. Die Klägerin wusste bzw. hätte wissen müssen, dass der ihr zuerkannte Anspruch ganz oder teilweise weggefallen sei. Die Klägerin erhob dagegen am 25.07.2011 Widerspruch. In D-Stadt habe sie nur ihren Nebenwohnsitz. Der Umzug sei noch gar nicht erfolgt, die Umzugskosten seien immer noch offen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2011 (S. 490) wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin lebe nicht nur vorübergehend in D-Stadt. Sie habe dort ihren Lebensmittelpunkt in C-Stadt bestehe kein gewöhnlicher Aufenthalt mehr.

Nachfolgend legte die Klägerin einen Mietvertrag vom 10.08.2011 (S. 497) vor. Danach mietete die Klägerin in F-Stadt eine Wohnung von 42 qm Wohnfläche für die Zeit ab 01.09.2011 für 290,- Euro Grundmiete und 95,- Euro Betriebskosten an. Mit Bescheid vom 18.08.2011 (S. 509) stimmte der Beklagte dem Antrag auf Übernahme der Umzugskosten dem Grunde nach zu.

Mit Bescheid vom 29.09.2011 (S. 105 Akte des Beigeladenen) bewilligte der Beigeladene der Klägerin vorläufig Arbeitslosengeld II für die Zeit ab 01.09.2011 in Höhe von monatlich 189,- Euro unter Anrechnung von Einkommen.

Bereits am 23.08.2011 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm, das die Klage an das Sozialgericht München verwies. Das Jobcenter Landkreis A-Stadt wurde zum Verfahren beigeladen. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die örtliche Zuständigkeit der Behörde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Leistungsvoraussetzung sei, erklärte der Beklagte, dass auch ein Ausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs. 4a SGB II bestehe und die Klägerin im Übrigen anrechenbares Einkommen erzielt habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 18.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ...

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