Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Bestehens einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB 2 sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

2. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft ist dann anzuerkennen, wenn es sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft handelt, die daneben keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art zulässt und die sich durch innere Bindungen von solchem Gewicht auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen und damit über eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.

3. Ist für das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft eine Variante des § 7 Abs. 3a SGB 2 verwirklicht, so findet eine Umkehr der Beweislast von dem Grundsicherungsträger auf den Antragsteller zu Leistungen des SGB 2 statt.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist ein Ablehnungsbescheid über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit ab April 2014. Im Zentrum steht die Frage, ob der Kläger eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin bildet und deshalb nicht hilfebedürftig ist.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Diplom Betriebswirt (FH). Nachdem er seine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit als selbstständiger Finanzberater mit ca. 50.000 EUR Schulden aufgegeben hatte, stand er ab April 2008 im Leistungsbezug beim Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Zuletzt wurden dem Kläger Grundsicherungsleistungen vorläufig für die Zeit bis einschließlich März 2014 bewilligt (vgl. Bescheid vom 24.09.2013), die bis Februar 2014 ausgezahlt wurden.

Zum Beginn des Leistungsbezuges bezog der Kläger eine Wohnung in der S-straße 38 in B. Für diese Wohnung erhielt er vom Beklagten bis zuletzt Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung. Seit Mitte Januar 2013 lebt er mietfrei mit seiner Lebensgefährtin in deren lastenfreien Eigenheim. Die Lebensgefährtin verfügt über weiteres Vermögen - u. a. zwei Mehrfamilienhäuser - und ein monatliches Nettoeinkommen von 1.600 EUR.

Im Jahr 2012 erhielt der Kläger einen Gesellschaftsanteil von 1/3 an der Einkaufsgemeinschaft F GmbH (F GmbH) - deren Geschäftskonzept er entwickelt hatte - von seinem Vermieter (zugleich Gesellschafter sowie Geschäftsführer der GmbH) unentgeltlich übertragen. Der Verkauf von Kapitalanteilen an Dritte ist nach dem Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen. Trotz vollzeitigen Arbeitsaufwandes für die Finanzbuchhaltung der GmbH erzielt der Kläger (nach seinen Angaben) bis heute kein Einkommen.

Im Februar 2014 erhielt der Beklagte postalisch den anonymen Hinweis, dass der Kläger schon über ein Jahr nicht mehr in der S-straße 38 wohne. Ermittlungen des Beklagten ergaben den Auszug des Klägers aus der Wohnung zum 15.01.2015. Der tatsächliche Aufenthalt blieb zunächst unbekannt. In einer persönlichen Vorsprache am 24.02.2014 räumte der Kläger, mit den Ermittlungen des Beklagten erstmalig konfrontiert, ein, bei seiner berufstätigen Freundin, Frau X. I., im C-weg 40 in B zu wohnen. Er habe dies dem Beklagten mitteilen wollen, dies jedoch letztlich versäumt.

Der Beklagte forderte Frau I daraufhin zur Erteilung von Auskünften auf. Unter dem 11.03.2014 erklärte der Kläger, aufgrund dieser Aufforderung habe Frau I - die von dem Leistungsbezug des Klägers bis dahin nichts gewusst habe - jede Art von eheähnlicher Bedarfsgemeinschaft von sich gewiesen. Die Finanzen beider seien voneinander getrennt. Er habe sich an den Haushaltskosten beteiligt. Frau I führte mit weiterem Schreiben selben Datums aus, nach den gesetzlichen Bestimmungen bildeten Partner nur dann eine eheähnliche Gemeinschaft, wenn sie tatsächlich ihr gesamtes Vermögen für ihren wechselseitigen Unterhalt einsetzten. Genau dies wolle und werde sie nicht machen. Sie habe vor allem nicht die Absicht eine finanzielle Verantwortung für den Kläger zu übernehmen.

Anfang Juni 2014 kam der Kläger auf seinen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab April 2014 zurück. Er erklärte, bei Frau I bauten sich wegen des nicht gezahlten Lebensunterhaltes Schulden auf.

Mit Bescheid vom 15.07.2014 versagte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit ab März 2014 zunächst. Der Kläger legte dagegen am 08.08.2014 Widerspruch ein. Unter dem Zitat von Rechtsprechung und Literatur zu § 7 SGB II verwies der Kläger darauf, dass Frau I seine Beiträge zur privaten Krankenversicherung ebenso wenig bezahle wie Arztrechnungen und Kleidung. Sie trage lediglich Kosten der Unterkunft und Verpflegung, wobei die Verpflegung bereits Teil eines rückzahlbaren Privatdarlehens sei.

Mit Bescheid vom 20.08.2014 hob der Beklagte den Versagungsbescheid auf und lehnte eine Leistungsbewilligung für die Zeit ab März 2014 mit Bescheid vom 21.08.2014 - dem Kläger zugegangen am 10.09.2014 - ab. Der Kläger lebe bereits seit Januar 2013 im Haushalt seiner Partnerin. Die geset...

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