Entscheidungsstichwort (Thema)

Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein. Ausstellung und Entscheidung über die Auszahlung der Vermittlungsvergütung. Verwaltungsakt. Rechtswidrigkeit oder Nichtigkeit einer Nebenbestimmung. keine Urkunde. sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit einer Anfechtungsklage. Entscheidung im Widerspruchsverfahren. Sachentscheidungsbefugnis des Sozialgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Ablehnung eines Vergütungsantrages eines Vermittlers nach § 45 Abs 6 SGB III handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 S 1 SGB X (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl LSG Chemnitz vom 19.11.2015 - L 3 AL 192/13 = juris).

2. Zur Frage, ob es für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ausreicht, dass ein Vorverfahren, das heißt ein Widerspruchsverfahren, erfolglos durchgeführt worden ist, oder ob über den Widerspruch in der Sache entschieden worden sein muss.

3. Die Sachentscheidungsbefugnis des Sozialgerichtes ist gegeben, wenn der Widerspruch nicht wegen eines Fehlers, der der Klägerin als Widerspruchsführerin zuzurechnen ist, als unzulässig verworfen worden ist, sondern wegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit des Widerspruches.

4. Die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt auch unter Geltung von § 45 SGB III wie bereits unter Geltung von § 421g SGB III aF im Verhältnis zum Arbeitslosen/Arbeitsuchenden in Form eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB X (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl LSG Chemnitz vom 19.11.2015 - L 3 AL 192/13 = juris).

5. Zur Frage, ob ein Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein über eine Befristung und eine regionale Beschränkung hinaus mit Nebenbestimmungen nach Maßgabe von § 32 SGB X versehen werden kann oder ob die Regelung in § 45 Abs 4 S 2 SGB III eine abschließende lex spezialis zu § 32 SGB X ist mit der Folge, dass sie eine Sperrwirkung gegenüber § 32 SGB X entfaltet.

6. Bei einem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein handelt es sich nicht um eine auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilte Urkunde, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt ist, sondern um den Verwaltungsakt selbst.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 1000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Zahlung einer Vermittlungsvergütung in Höhe von 1.000,00 EUR zu verurteilen.

Die Beigeladene, die das Sozialgericht Dresden mit Beschluss vom 22. Januar 2014 beigeladen hat, war seit 1. Dezember 2012 arbeitslos. Am 27. Februar 2013 stellte ihr die Beklagte einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein aus. Die Geltungsdauer wurde auf die Zeit vom 27. Februar 2013 bis zum 26. Mai 2013 festgelegt. Der Gutschein berechtigte zur Auswahl "eines zugelassenen Trägers (private Arbeitsvermittlung)". Der Gutschein enthält auf Seite 1 unter der Überschrift "Nebenbestimmungen:" unter anderem folgende Passage:

"Die Befristung (Gültigkeitsdauer) endet bei folgenden Ereignissen:

1. Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung

2. Ende des Anspruchs auf Arbeitslosengeld

3. […]"

Die Klägerin, eine gewerbliche Personalvermittlerin, beantragte mit Formularantrag vom 30. Mai 2013 die Zahlung von 1.000,00 EUR für die Vermittlung der Beigeladenen. Sie legte den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein sowie die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung der Arbeitsgeberin der Beigeladenen (U.... Personalservice GmbH) vom 28. Mai 2013 vor. Danach wurde der Arbeitsvertrag am 9. April 2013 auf Dauer geschlossen. Die Arbeitsgeberin bestätigte weiter, dass das Beschäftigungsverhältnis ununterbrochen vom 9. April 2013 bis zum 23. Mai 2013 bestand, dass die Arbeitszeit mindestens 15 Stunden wöchentlich betrug, und dass die Beigeladene durch die Klägerin vermittelt worden war.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 12. Juni 2013 ab, weil die Beigeladene am 25. März 2013 eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen habe. Damit habe der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein seine Gültigkeit verloren. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten im Berufungsverfahren und ausweislich von Computervermerken der Beklagten nahm die Beigeladene am 25. März 2013 bei der Fa. Z.... in C.... eine Teilzeittätigkeit, die auf 70 Stunden monatlich ausgelegt war, auf. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag zum 2. April 2013 beendet.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 2. Juli 2013 Widerspruch ein. Da es sich bei dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein um einen Verwaltungsakt handle, hätte ihn die Beklagte mit dem Wegfall seiner Gültigkeit zurücknehmen müssen. Dies sei nicht geschehen.

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbe...

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