Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsbefreiung für Betriebsratstätigkeit, Bewertung von Reisezeiten anlässlich Betriebsratssitzungen

 

Leitsatz (amtlich)

1) Aus dem Begünstigungs- und Benachteiligungsverbot des § 78 BetrVG folgt, dass für die Bewertung von Reisezeiten, die ein Arbeitnehmer über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus zum Zwecke der Wahrnehmung einer Betriebsratstätigkeit aufwendet, keine anderen Maßstäbe gelten dürfen als für Reisezeiten, die ansonsten im Interesse des Arbeitgebers anfallen.

2) Die Bewertung dieser Reisezeiten richtet sich in erster Linie nach tariflichen oder betrieblichen Regelungen.

3) Gewährt eine solche Regelung dem Arbeitnehmer für Fahrten außerhalb der Arbeitszeit zu einer Dienstbesprechung einen Freizeitausgleich von 50 %, so gilt dies auch für entsprechende Fahrten anlässlich einer Betriebsratssitzung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Hinweise der Geschäftsstelle:

Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7-facher Ausfertigung bei dem Bundearbeitsgericht einzureichen.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 3, § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Aktenzeichen 8 Ca 9763/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.04.2003; Aktenzeichen 7 AZR 423/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 05.10.2000 – 8 Ca 9763/99 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für Betriebsratstätigkeit im Zeitraum von September 1998 bis Oktober 1999 weiteren Freizeitausgleich unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts in Höhe von 83 Stunden und 36 Minuten zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers

zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Arbeitsbefreiung gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG.

Der Kläger ist zu einem Monatslohn von derzeit ca. DM 3.100,00 brutto als Lokführer bei der Beklagten tätig und zum Ersatzmitglied des Betriebsrats gewählt. Er ist in der Zweigniederlassung C. des (Wahl-)Betriebs R. I.1 des Regionalbereichs Sachsen, bestehend aus den Zweigniederlassungen D., C., G. und Z., beschäftigt. Der Sitz des Betriebsrats ist D., wo auch die Betriebsratssitzungen stattfinden.

Der Kläger ist im sogenannten örtlichen Zusatzbedarf beschäftigt. Er ist demzufolge nicht in einen Dienstplan eingegliedert. Wird der Beklagten bekannt, dass der Kläger als nachrückendes Mitglied an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen hat, so werden ihm in der Regel an diesem Tag keine Dienstschichten zugeteilt.

Für diese Tage der Betriebsratstätigkeit ohne vorgeplante Schichten schrieb die Beklagte dem Arbeitszeitkonto des Klägers einen durchschnittlichen Arbeitszeitwert von 7 Stunden und 36 Minuten gut. Dies traf auch zu für die Tage der Betriebsratssitzung am 22.09., 23.09., 06.10.1998, 10.03., 11.03., 23.03., 24.03., 20.04., 01.06., 02.06., 09.06., 06.09., 07.09., 08.09., 22.09., 18.10., 20.10. und 26.10.1999.

Eine Ausnahme bildeten der 26.02.1999 und der 03.06.1999, an welchen Tagen bereits dienstplanmäßige Arbeitszeiten vorgesehen waren. Für diese Tage verrechnete die Beklagte 9 Stunden bzw. 8 Stunden 15 Minuten.

Die Betriebsratssitzungen begannen um 9.30 Uhr und dauerten bis 14.50 Uhr/14.55 Uhr/15.30 Uhr. Mit den Reisezeiten von seinem Wohnort in A.-B. aus war der Kläger, der zur Anreise sich der Deutschen Bahn bediente, 16 Stunden bzw. 16 Stunden 15 Minuten unterwegs (vgl. die Aufstellung des Klägers in der Klageschrift Seiten 3 bis 8, Bl. 3 bis 8 d. A.).

Mit am 24.12.1999 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat der Kläger einen Freizeitausgleich in Höhe der Differenz zwischen den gutgeschriebenen Stunden und den weiteren Stunden seines Zeitaufwandes für die Reisen anlässlich der Betriebsratssitzungen der genannten 20 Tage geltend gemacht. Insgesamt habe die Beklagte ihm zu Unrecht 167 Stunden und 12 Minuten nicht gutgeschrieben. Diese Reisezeiten seien sämtlich außerhalb der individuellen Arbeitszeit angefallen. Diese seien betrieblich bedingt gewesen wegen der räumlichen Ausdehnung des Betriebes. Der Kläger arbeite im Schicht- und Wechseldienst und sei während der Arbeitszeit unabkömmlich.

Die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs entstehe sofort nach Ableistung der Betriebsratstätigkeit. Die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs sei mittels der Sonderleistungszettel (Bl. 25 bis 44 d. A.) geschehen. Noch am selben Tage habe der Kläger diese Zettel ausgefüllt und in den Kasten im Melderaum eingeworfen. Bei Fahrten von der Wohnung zur Betriebsratssitzung handele es sich um Dienste in Bereitschaft gemäß der Dienstdauervorschrift der Deutschen Bahn § 3. Zumindest sei die Zeit als Reisezeit anzurechnen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum von September 1998 bis Oktober 1999 für Betriebsratstätigkeit Arbeitsbefreiung in Höhe von 167 Stunden und 12 Minuten zu gewähren und dem Freizeitkonto des Klägers gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagt...

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