1 Einleitung

Eine der Neuregelungen des TVöD betrifft die Qualifizierung. Diese ist in § 5 TVöD geregelt.

Damit wurde für den Öffentlichen Dienst erstmals eine Regelung zur Qualifizierung tariflich getroffen. Im BAT fand sich ebenso wenig wie im BMT-G eine entsprechende Regelung. Nicht durch diese Neuregelung berührt wird die in einigen Bundesländern existierende Sonderlast durch die Bildungsurlaubsgesetze bzw. Bildungsfreistellungsgesetze (solche gesetzlichen Regelungen gibt es bisher in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Bremen und Hamburg; keine entsprechenden Regelungen gibt es bisher hingegen in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen). Klar abzugrenzen ist auch zwischen Qualifizierung und Ausbildung. § 5 TVöD umfasst lediglich die Qualifizierung eines Beschäftigten, der bereits in einem Beruf tätig ist, gegebenenfalls eine entsprechende Ausbildung bereits absolviert hat und sich nun nicht aus-, sondern fortbilden möchte.[1]

Was ist also der Hintergrund für eine tarifvertragliche Regelung zur Qualifizierung? Heute ist es überholt, davon auszugehen, dass die einmalige Berufsausbildung des Beschäftigten für das gesamte Berufsleben ausreichend sei. Vielmehr ist es – trotz oder gerade wegen des Trends zur Spezialisierung – für jeden Beschäftigten erforderlich, dass er seinen Arbeitsplatz durch lebenslanges Lernen, also eine stete berufliche Weiterbildung, sichert.[2] Die Qualifizierung dient also dem Erhalt und der Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten. Freilich kann kein Tarifvertrag eine abschließende Regelung für künftige Einzelmaßnahmen des Arbeitgebers treffen, aber ein Tarifvertrag kann mit den Voraussetzungen den Rahmen und das Bewusstsein bei Arbeitgeber und Beschäftigten schaffen. Denn der Arbeitgeber hat ein großes Interesse, seine Beschäftigten zu qualifizieren, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und nachhaltig zu verbessern.

[1] Vgl. zur Definition des Begriffs "Qualifizierung" unten unter 5.
[2] So auch Hunold, NZA 2000 S. 802 ff. (804 f.).

2 Entwicklung von Tarifverträgen betreffend die Qualifizierung

Der TVöD ist nicht der erste Tarifvertrag, der Regelungen zur Qualifizierung der Beschäftigten enthält. Der Ursprung für die tarifvertragliche Regelung der Qualifizierung ist sicherlich in den Rationalisierungsschutztarifverträgen – für den öffentlichen Dienst der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (RatSchTVAng) und der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9.1.1987 (RatSchTVArb) bzw. der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter im Bereich der VKA vom 9.10.1987 (TVRationArbVKA) – zu sehen, wo bei einem konkret drohenden Arbeitsplatzverlust die Qualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer ein Element zur Erhaltung der Beschäftigung beim konkreten Arbeitgeber ist. Inzwischen gibt es eine Vielzahl tarifvertraglicher Regelungen zur Qualifizierung. Im Jahr 2000 existierten Regelungen in ca. 40 Wirtschaftszweigen.[1] Einige davon sollen hier erwähnt werden:

  • Vereinbarung der Deutsche Shell AG mit der damaligen IG Chemie, Papier, Keramik über ein Programm zur Weiterqualifizierung der Mitarbeiter der Deutschen Shell Aktiengesellschaft vom 5.2.1988, die keinen individuellen Qualifizierungsanspruch der Arbeitnehmer vorsieht.[2]
  • Der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I (LGRTV I) für die Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 1.4.1988, der später auf ganz Baden-Württemberg erstreckt wurde, verpflichtete den Arbeitgeber, regelmäßig den Qualifikationsbedarf zu ermitteln, diesen einmal jährlich mit dem Betriebsrat zu beraten und einen Qualifikationsplan zu erstellen.[3]
  • In der Nachfolgeregelung dazu, dem Qualifizierungstarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 5.7.2001, ist ein individueller Anspruch auf ein Qualifizierungsgespräch geregelt. Wird ein Qualifizierungsbedarf festgestellt, ist der Arbeitnehmer zur Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme verpflichtet. Die Kosten der Qualifizierung trägt allein der Arbeitgeber; der Arbeitnehmer hat zusätzlich einen Anspruch auf Vergütung der Lernzeit wie Arbeitszeit sowie auf Reisekostenerstattung. Geregelt ist auch ein so genanntes "Sabbatical", nach dem der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeitsdauer bis zu drei Jahre an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen kann und anschließend ein Rückkehrrecht per Wiedereinstellungsanspruch hat.[4]
  • Der Qualifizierungstarifvertrag von Volkswagen vom 28.8.2001 (so genanntes (Hartz)-Konzept 5.000 × 5.000). Dort hat Volkswagen mit seiner Tochter-GmbH ein dreistufiges Qualifizierungskonzept entwickelt, nach dem ausgewählte Arbeitslose ein Training erhalten, danach sechs Monate im Betrieb für die allgemeine Automobiltauglichkeit qualifiziert werden, anschließend erfolgt eine individuelle Qualifizierung zusätzlich zur wertschöpfenden Arbeitszeit.[5] Die Arbeitnehmer haben beim letzten Schritt ...

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