1 Allgemeines

1.1 Praktikumsbegriff

Das Praktikum ist in der Berufswelt nicht mehr wegzudenken. Gleichwohl bestehen für ein Praktikumsverhältnis keine besonderen gesetzlichen Regelungen.[1]

Mit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) als Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz) vom 11.8.2014[2] am 16.8.2014 gibt es erstmals eine eindeutige gesetzliche Definition des Praktikanten, die sich an der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10.3.2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika anlehnt[3]. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG gilt:

"Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt."

Mit dieser Definition hat der Gesetzgeber den Begriff des Praktikanten gegenüber den ansonsten von § 26 BBiG erfassten Vertragsverhältnissen, die keine Arbeitsverhältnisse sind, abgegrenzt[4] und damit zugleich bestimmt, welche Personen nicht unter den Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes fallen (siehe hierzu Ziffer 1.3.4). Sinn der Regelung ist es, den Missbrauch des sinnvollen Insturments des Praktikums einzuschränken.[5]

 
Hinweis

Das Mindestlohngesetz sieht ab dem 1.1.2021 einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn i. H. v. brutto 9,50 EUR je Zeitstunde vor. Zum 1.7.2021 hat sich der Mindestlohn auf 9,60 EUR pro Zeitstunde erhöht. Vom 1.1.2022 bis zum 30.6.2022 beträgt der Mindestlohn 9,82 EUR und vom 1.7.2022 bis zum 31.12.2022 10,45 EUR pro Zeitstunde.[6]

Vom persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind auch Praktikantinnen und Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG mit der Folge, dass sie dem Grundsatz nach ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns haben, es sei denn, es greifen die in § 22 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. Nr. 1 bis 4 MiLoG abschließend bestimmten Ausnahmetatbestände (siehe hierzu auch Ziffer 1.3.4).

[2] BGBl I S. 1348.
[3] BT-Drs. 18/20 (neu).
[4] BT-Drs. 18/1558 S. 42.
[5] BT-Drs. 18/1558 S. 42.
[6] Dritte Mindestlohnanpassungsverordnung v. 9.11.2020, BGBl I S. 2356.

1.2 Praktikumsarten

Es gibt eine Vielzahl von Fallgestaltungen, in denen heutzutage von einem Praktikum gesprochen wird. Zu denken ist hierbei z. B. an von der Studienordnung vorgeschriebene Praktika oder Schülerpraktika. Daneben kommen freiwillige Praktika, Volontariate oder auch Ferienjobs bzw. Wertstudententätigkeiten in Betracht. Für alle diese Praktikumsarten gibt es besondere Regelungen, die es zu berücksichtigen gilt.

1.2.1 Freiwilliges Praktikum

Ein freiwilliges Praktikum ist ein Praktikum, welches losgelöst von Schule oder künftigem Studium aus Gründen der Berufsfindung bzw. Berufsorientierung zumeist während der Ferien aufgenommen wird. Es gibt den Schülern und Schülerinnen bzw. den Studentinnen und Studenten die Gelegenheit, (erste) praktische Eindrücke von einem Beruf oder einer Branche zu sammeln.

Das "freiwillige Praktikum" wird i. d. R. unentgeltlich abgeleistet, wenn die Praktikantin/der Praktikant nur sehr kurz im Betrieb ist oder nur passiv ohne Einbindung in den Arbeitsprozess tätig wird und auch keinen wirtschaftlich verwertbaren Beitrag leistet. Wirkt die Praktikantin/der Praktikant jedoch durch ein Mindestmaß an Pflichtenbindung am arbeitstechnischen Zweck des Betriebs mit und wird damit in den Betrieb eingegliedert, unterfällt sie/er dem Schutzzweck des § 26 BBiG.[1] Diese Vorschrift erklärt für Personen, die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses "berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen erwerben" sollen, wesentliche Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes für anwendbar (siehe Ziffer 1.3.1), u. a. § 17 Abs. 1BBiG, wonach ein Anspruch auf angemessene Vergütung besteht. Die Regelung über die Mindestausbildungsvergütung in § 17 Abs. 2 BBiG (nicht zu verwechseln mit dem gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG; siehe hierzu Ziffer 1.3.4) findet dagegen auf andere Vertragsverhältnisse i. S. des § 26 BBiG keine Anwendung, da § 26 BBiG nur eine Verweisung auf die Absätze 1, 6 und 7 des § 17 BBiG enthält.

Über den aufgrund § 26 BBiG einbezogenen § 10 Abs. 2 BBiG gelten – soweit sich aus dem Zweck und Wesen des Praktikantenvertrages nichts Gegenteiliges ergibt – für ein Praktikantenverhältnis immer auch ergänzend die auf Arbeitsverträge anwendbaren allgemeinen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze, etwa auch die Vorschriften zur Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und dem Jugendarbeitsschutzgesetz (siehe Ziffer 1.3.2).

 
Hinweis

Soweit freiwillige Praktika dem Schutzzweck des § 26 BBiG unterfallen, steht den Praktikanten hierfür grundsätzlich der gesetzliche Mindestlohn zu. Lediglich für freiwillige Praktika, die nicht ...

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