1 Sozialversicherungsrechtliche Betrachtung

Nach dem Hochschulrahmengesetz soll die Hochschule für jeden Studiengang eine Studien- und Prüfungsordnung aufstellen. Auf der Grundlage der Prüfungsordnung wird darin Inhalt und Aufbau des Studiums geregelt und ggf. eine in den Studiengang eingeordnete berufspraktische Tätigkeit vorgeschrieben.

Am Lernort "Hochschule" wird in erster Linie Theorie vermittelt. Auch wenn immer mehr Hochschulen versuchen, die betrieblichen Anforderungen in Seminaren und in Projektarbeiten zu simulieren, wurde erkannt, dass dies die Praxis am Lernort "Betrieb" nicht ersetzen kann. Da der akademische Abschluss ein berufsqualifizierendes Reifezeugnis darstellt, muss der Transfer der Theorie in die Praxis gewährleistet sein. In aller Regel soll dies durch die Ableistung eines Praktikums[1] erreicht werden.

Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen

Der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt als Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung. Praktika, die dazu dienen, Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen in Betrieben zu erlangen, sind daher grundsätzlich nach den jeweiligen Vorschriften für die einzelnen Sozialversicherungszweige versicherungspflichtig.

Praktikanten sind Personen, die sich im Zusammenhang mit einer schulischen Ausbildung praktische Kenntnisse in einem Unternehmen aneignen, die der

  • Vorbereitung,
  • Unterstützung oder
  • Vervollständigung

der Ausbildung für den künftigen Beruf dienen.

Studentenpraktikum

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[1]

S. Praktikanten.

2 Vorgeschriebene Praktika

Vorgeschriebene Praktika liegen nur dann vor, wenn sie in einer Ausbildungs-, Studien- oder Prüfungsordnung normiert sind. Die Verpflichtung zur Ableistung des Praktikums ist nachzuweisen.

 
Wichtig

Praktikum überschreitet vorgeschriebene Dauer

Überschreitet die Dauer des Praktikums die in der Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebene Mindestdauer, ist auch für den die Mindestdauer überschreitenden Zeitraum von einem vorgeschriebenen Praktikum auszugehen. Allerdings muss ein Zusammenhang zwischen dem Praktikum und dem Studium bestehen (z. B. wenn die Hochschule das Praktikum anerkennt). Sofern die Studien- oder Prüfungsordnung anstatt einer Mindestdauer einen festen Zeitraum (z. B. 3 Monate) für ein abzuleistendes Praktikum vorsieht, ist hingegen vom Zeitpunkt der Überschreitung des fest vorgeschriebenen Zeitraums an nicht mehr von einem vorgeschriebenen Praktikum auszugehen.[1]

2.1 Vor- und Nachpraktikum mit Arbeitsentgelt: Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung

Zahlt der Arbeitgeber den Praktikanten ein Arbeitsentgelt, sind sie als Arbeitnehmer anzusehen und versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.[1] Auch wenn das Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze[2] nicht übersteigt oder das Praktikum innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens 3 Monate oder 70 Arbeitstage befristet und damit dem Grunde nach geringfügig entlohnt bzw. kurzfristig ist, besteht Versicherungspflicht, da bei vorgeschriebenen Praktika die Regeln zur geringfügigen Beschäftigung[3] nicht angewandt werden dürfen. Sofern ein Vorpraktikum über den Beginn des Studiums hinaus für nicht länger als 2 Wochen abgeleistet wird, besteht für die gesamte Praktikumszeit Versicherungspflicht aufgrund des Vorpraktikums. Anders ist es bei einer Überschneidung von mehr als 2 Wochen. In diesem Fall endet die Versicherungspflicht aufgrund des Vorpraktikums zum Beginn des Studiums, weil von da an Versicherungsfreiheit als Zwischenpraktikant besteht.[4]

 
Wichtig

Versicherungs- und Beitragspflicht vorgeschriebener Vor- und Nachpraktika

Wird das Vor- oder Nachpraktikum gegen Arbeitsentgelt ausgeübt, ist das Praktikum – unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts – beitragspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung. Bei der Beitragstragung ist die Geringverdienergrenze von 325 EUR zu beachten.[5] Hingegen gelten die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung und zum Übergangsbereich nicht.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitsentgelt bis 325 EUR = Arbeitgeber zahlt alle Beiträge

Ein 24-jähriger Praktikant leistet in der Zeit vom 3.5. bis 14.6. sein vorgeschriebenes Praktikum bei der Firma Fest AG ab (monatliche Vergütung: 300 EUR).

Ergebnis: Der Praktikant unterliegt der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Da die Geringverdienergrenze von 325 EUR nicht überschritten wird, trägt der Arbeitgeber sowohl den Arbeitnehmer- als auch den Arbeitgeberbeitragsanteil. Die Beitragsübernahme durch den Arbeitgeber gilt auch hinsichtlich des Zusatzbeitrags in der Krankenversicherung in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes[6] sowie ggf. des Beitragszuschlags für Kinderlose zur sozialen Pflegeversicherung i. H. v. 0,6 %[7]; der Beitragsabschlag für Kinder unter 25 Jahren ist hingegen nicht zu berücksichtigen.[8]

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