1.3.4.1 Allgemeines

Als Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomie­stärkungsgesetz) vom 11.8.2014[1] ist am 16.8.2014 das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MindestlohngesetzMiLoG) in Kraft getreten.

Das Mindestlohngesetz sieht ab dem 1.1.2021 einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn i. H. v. brutto 9,50 EUR je Zeitstunde vor, vom 1.1.2021 bis zum 31.12.2021 beträgt der Mindestlohn 9,60 EUR brutto je Zeitstunde. Zum 1.1.2022 wird der Mindestlohn auf 9,82 EUR und zum 1.7.2022 auf 10,45 EUR brutto pro Zeitstunde erhöht.[2]

Vom persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes erfasst sind grundsätzlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Obwohl sie in keinem Arbeitsverhältnis stehen, gelten gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG auch Praktikantinnen und Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer i. S. d. Gesetzes.

Festzustellen ist, dass die durch § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG in Bezug genommene Vorschrift des § 26 BBiG keine allgemeingültige Definition des Begriffs "Praktikum" oder "Praktikanten" enthält, d. h. es gibt genau genommen keine "Praktikantinnen und Praktikanten i. S. d. § 26 des Berufsbildungsgesetzes". § 26 BBiG ordnet nur die Anwendbarkeit der für das Berufsausbildungsverhältnis geltenden Vorschriften der §§ 10 bis 16 und 17 Abs. 1, 6 und 7 sowie die §§ 18 bis 23 und 25 BBiG für Rechtsverhältnisse an, die nicht als Arbeitsverhältnisse ausgestaltet sind und die Personen betreffen, "die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes handelt". Von § 26 BBiG werden somit solche Rechtsverhältnisse erfasst, die im Gegensatz zur Umschulung oder Fortbildung auf die erstmalige Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen gerichtet sind, wie dies etwa nach Auffassung des BAG bei Anlernlingen oder Praktikanten der Fall ist.[3]

Der Gesetzgeber hatte lange Zeit den Begriff des "Praktikanten" nicht definiert. Nach dem Verständnis des BAG vom Begriff des Praktikanten war Praktikant, wer in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb tätig ist, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen[4]. Diese Grundsätze finden sich auch in der Legaldefinition des Praktikanten in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG. Die Definition orientiert sich zwar laut der Gesetzesbegründung[5] an Erwägungsgrund Nr. 27 der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10.3.2014 zu einem Qualifikationsrahmen für Praktika. Gleichwohl fällt auf, dass sich die von der Rechtsprechung des BAG aufgestellten Kriterien für die Definition des Praktikanten ebenfalls in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG wiederfinden. Inhaltlich hat sich daher am Praktikantenbegriff nichts geändert. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Legaldefinition in § 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG zur Auslegung der Formulierung "Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes" in § 22 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz MiLoG herangezogen werden kann[6] und damit letztlich (nur) der Rechtsklarheit dient.[7]

Bei einem Praktikantenverhältnis sieht das Bundesarbeitsgericht die Voraussetzungen eines anderen Vertragsverhältnisses i. S. d. § 26 BBiG als erfüllt an. Die Praktikanten i. S. v. § 26 BBiG haben daher Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz, sofern nicht einer der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Dagegen fallen Personen, die eine Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes durchlaufen oder sich einer damit vergleichbaren Ausbildung unterziehen, nicht unter den Anwendungsbereich des MiLoG. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 MiLoG. Zum Tatbestand der "vergleichbaren praktischen Ausbildung" hat das BAG[8] festgestellt, "dass hierdurch der Einstieg in einen Beruf ermöglicht wird, die konkrete Tätigkeit im Vorhinein festgelegt oder jedenfalls bestimmbar ist und eine der Berufsausbildung ähnliche Strukturierung besteht." Gemessen daran liege eine der Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung vor, wenn Anpassungsqualifizierungen im Rahmen von Gleichwertigkeitsfeststellungen nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz durchgeführt werden.

Auch Volontariate sind aufgrund § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 MiLoG vom Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes ausgenommen[9]. Hiervon dürfte angesichts der BAG-Entscheidung vom 18.11.2020 jedenfalls in den Fällen auszugehen sein, in denen das Volontariat in Bezug auf Lernziele und Lernmethoden sowie deren Vermittlung anhand eines didaktischen Konzepts und im Hinblick auf seine Anerkennung im Berufsleben als Weg zum Berufseinstieg angesehen werden kann und deshalb eine der Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes vergleichbare praktische Ausbildung darstellt.

Im Übrigen ist anzumerken, dass sich nach der bisherigen Rechtsprec...

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