Störfälle können sowohl in der Phase der Familienpflegezeit als auch in der Phase der sog. Nachpflegezeit eintreten.

Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Folgen bei ganz- oder teilweisem Scheitern der vertraglichen Pflichten in der Familienpflegephase ist zu beachten, dass bei einer Familienpflegezeitvereinbarung, die auf dem ratierlichen Abschmelzen von bereits vorhandenem Wertguthaben beruht, die allgemeinen Grundsätze über die Abwicklung von Störfällen bei Wertguthaben zu beachten sind (§ 23b SGB IV).[1]

Wird die Familienpflegezeit jedoch mangels vorhandenen Wertguthabens in Form eines in der Nachpflegephase auszugliedernden negativen Wertguthabens abgewickelt, so unterliegen die in diesem Zusammenhang auftretenden "Störfalle" eigenständigen Regelungen, die mit der herkömmlichen Störfallabwicklung von positiven Wertguthaben nicht verwechselt werden dürfen.

[1] Instruktiv dazu: Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs v. 13./14.4.2010.

4.3.9.1 Tod, Berufsunfähigkeit des Beschäftigten

Mit Tod des Beschäftigten endet das Arbeitsverhältnis. Ein "Abarbeiten" des Aufstockungsbetrags ist nicht mehr möglich. Im Falle einer "Berufsunfähigkeit" endet das Arbeitsverhältnis nicht automatisch. § 33 TVöD sieht eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur für den Fall einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente vor.

Wie oben geschildert, muss der Beschäftigte das Risiko, dass aufgrund von Tod oder Berufsunfähigkeit des Beschäftigten die Aufstockungsbeträge in der Nachpflegephase nicht erarbeitet werden können, durch eine gesetzlich zwingend vorgeschriebene Versicherung abdecken. Der Arbeitgeber hat Anspruch gegen die Versicherung auf Erstattung der geleisteten Aufstockungsbeträge.

Hinsichtlich der Auswirkungen einer längeren Krankheit des Beschäftigten wird auf die Ausführungen unten Ziffer 4.3.9.4 verwiesen.

4.3.9.2 Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer

Der Anspruch des Arbeitgebers auf Ausgleich des "negativen" Wertguthabens besteht fort, wenn der Beschäftigte das Arbeitsverhältnis kündigt oder ausnahmsweise aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt wird[1] oder einen Aufhebungsvertrag aus den genannten Gründen schließt und keine Übertragung des Wertguthabens auf andere Arbeitgeber nach § 7f des SGB IV erfolgt. Es besteht ein Ausgleichsanspruch in Geld.

Soweit die Möglichkeit der Aufrechnung – z. B. gegen Abfindungsansprüche – besteht, ist der Ausgleichsanspruch mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses fällig.[2] Gegen Abfindungsansprüche kann in vollem Umfang aufgerechnet werden, bei Aufrechnung gegen Lohnansprüche ist dagegen die Pfändungsfreigrenze zu beachten. Besteht keine Aufrechnungsmöglichkeit, so hat der Beschäftigte die Ausgleichszahlungen in monatlichen Raten zu erbringen. Soweit der Arbeitgeber versucht, wegen dieses Anspruchs Entgelt aus einem neuen Arbeitsverhältnis zu pfänden, sind die Pfändungsfreigrenzen zu beachten, was die Realisierbarkeit stark einschränken kann.

Kommt der Beschäftigte seiner Zahlungspflicht nicht nach und besteht kein Anspruch gegen die Familienpflegezeitversicherung, so hat der Arbeitgeber gegenüber dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben

  • Anspruch auf Erlass der Rückzahlungsforderung, sofern der Arbeitgeber ein Darlehen beansprucht hat, bzw.
  • Anspruch auf Übernahme der von dem Beschäftigten zu erbringenden Ratenzahlungen, sofern der Arbeitgeber das Darlehen trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht beansprucht hat (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 FPfZG).

Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten vergeblich zur Zahlung aufgefordert und eine Mahnung mit einer Fristsetzung von 2 Wochen ausgesprochen haben. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bund nur dann eintritt, wenn tatsächlich von Zahlungsverweigerung oder Zahlungsunfähigkeit der Beschäftigten ausgegangen werden kann. Der Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Beschäftigten geht in entsprechendem Umfang kraft Gesetzes auf das Bundesamt über.

[1] Zum besonderen Kündigungsschutz siehe oben Ziffer 4.3.8.
[2] Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, Drucksache 17/6000 v. 6.6.2011, B. Besonderer Teil, II. zu § 9 Abs. 2.

4.3.9.3 Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber

Wie oben Ziffer 4.3.8.1 dargestellt, kommt dem Beschäftigten bei Inanspruchnahme von Familienpflegezeit besonderer Kündigungsschutz zu. Nach Abschluss einer Familienpflegezeitvereinbarung bis zum Ende der Nachpflegephase ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber grundsätzlich ausgeschlossen. In besonderen Fällen kann der Arbeitgeber ausnahmsweise mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Stelle kündigen.

Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt, so besteht ein Ausgleichsanspruch in Geld entsprechend den Bestimmungen bei Kündigung durch den Arbeitnehmer (näher oben Ziffer 4.3.9.2).

Erfolgte die Kündigung durch den Arbeitgeber jedoch aus betriebsbedingten oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen und besteht keine Aufrechnungsmöglichkeit beispielsweise gegen einen Abfindungs...

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