Die Beschäftigten haben nach § 2 Abs. 1 PflegeZG in einer akut aufgetretenen Pflegesituation das Recht, der Arbeit bis zu 10 Arbeitstagen fernzubleiben.

 
Hinweis

COVID-19-pandemiebedingte Verlängerung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung in einer akut aufgetretenen Pflegesituation

COVID-19-pandemiebedingt wurde die Dauer, während derer die Beschäftigten in einer akut aufgetretenen Pflegesituation der Arbeit fernbleiben dürfen, befristet verlängert. Die Regelung findet sich in § 9 Abs. 1 PflegeZG.

"Abweichend von § 2 Abs. 1 haben Beschäftigte das Recht, in dem Zeitraum bis einschließlich 31.12.2020 bis zu 20 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, wenn die akute Pflegesituation auf Grund der COVID-19-Pandemie aufgetreten ist. Der Zusammenhang wird vermutet."

Die zunächst mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 eingeführte und bis 30.9.2020 befristete Regelung wurde durch Art. 10 KHZG erneut für die Zeit ab dem 1.10.2020 bis 31.12.2020 verabschiedet.

Eine pandemiebedingte akute Pflegesituation liegt beispielsweise vor, wenn Tagespflegeeinrichtungen wegen der COVID-19-Pandemie geschlossen sind oder ambulante Pflegedienstleistungen eingeschränkt werden. Der pandemiebedingte Zusammenhang wird allerdings gesetzlich vermutet.

Leider enthält das PflegeZG keine ausdrückliche Regelung, welche Bedeutung die 10- bzw. befristet bis zu 20-tägige Freistellung für Mitarbeiter hat, die nicht an 5, sondern an weniger oder mehr als 5 Tagen der Woche arbeiten.[15e]

 
Praxis-Beispiel

Eine Teilzeitkraft arbeitet lediglich an 2 Tagen der Woche. Kann sie Arbeitsbefreiung in einer akuten Pflegesituation für die Dauer von 10 bzw. 20 (individuellen) Arbeitstagen = 5 bzw. 10 Wochen beanspruchen?

Auch wenn das PflegeZG lediglich von "Arbeitstagen" spricht, sind wohl nicht die persönlichen Arbeitstage des/der Beschäftigten oder die betrieblich üblichen Arbeitstage für die Dauer der Freistellung entscheidend. Vielmehr ist das Gesetz einschränkend auszulegen, da nur eine kurzzeitige Freistellung beabsichtigt ist.

 
Praxis-Tipp

Das PflegeZG stellt offenbar auf die heute in weiten Bereichen übliche 5-Tage-Woche ab. Bei Einsatz der Beschäftigten an 5 Tagen der Woche beträgt der Freistellungsanspruch 10 Arbeitstage. Arbeitet die/der Beschäftigte an weniger oder mehr als 5 Tagen der Woche, ist die Anspruchsdauer entsprechend umzurechnen. Arbeitet die Beschäftigte nur einen Tag in der Woche (z. B. montags), so steht ihr auch nur 1/5 der 10 Tage zu. Sie ist also an 2 Montagen freizustellen.

Ein solches Vorgehen hat das BAG bereits für die Berechnung des gesetzlichen Mindesturlaubs gebilligt. Auch das BUrlG enthält keine ausdrückliche Vorschrift zur Umrechnung des Mindesturlaubs bei Einsatz an mehr oder weniger Tagen. Dennoch geht das BAG davon aus, dass das BUrlG auf der zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung selbstverständlichen 6-Tage-Woche beruht und der Mindesturlaub bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als 6 Werktage der Woche entsprechend umzurechnen ist.[2]

Häufigkeit von "kurzzeitigen Arbeitsverhinderungen" der Beschäftigten

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs[3] ist das Recht auf Arbeitsbefreiung "auf Akutfälle begrenzt und kann nur in Anspruch genommen werden, wenn im konkreten Fall die Notwendigkeit einer pflegerischen Versorgung besteht. Dies wird regelmäßig nur einmal je pflegebedürftigem Angehörigen der Fall sein, sodass dieses Recht regelmäßig auch nur einmal pro Pflegefall ausgeübt wird."

Es erscheint wenig realitätsnah, wenn die Gesetzesautoren davon ausgehen, die kurzzeitige Arbeitsverhinderung könne je pflegebedürftigem Angehörigen nur einmal auftreten. Denkbar sind Fälle – insbesondere beim Auftreten verschiedener Krankheiten –, in denen eine (voraussichtliche) Pflegebedürftigkeit des Angehörigen zunächst vorliegt, der Gesundheitszustand des Angehörigen sich wieder verbessert und zu einem späteren Zeitpunkt, z. B. durch Hinzutreten einer weiteren schweren Krankheit, eine erneute Pflegesituation akut auftritt. Der Gesetzeswortlaut selbst schränkt den Anspruch auf Arbeitsbefreiung je pflegebedürftigem Angehörigen nicht auf eine einmalige Inanspruchnahme ein. Deshalb wird der Arbeitgeber durchaus mehrfach einen Anspruch auf eine "Auszeit" zur Kurzzeitpflege je Pflegebedürftigem akzeptieren müssen.

Dem entspricht auch die bisherige Rechtslage hinsichtlich der Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB): Nach zutreffender Auffassung in der arbeitsrechtlichen Literatur[4] wiederholt sich der Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 616 BGB nicht bei Fortsetzungserkrankungen, weil der Arbeitnehmer für zukünftige Fälle in anderer Weise Vorsorge treffen muss. Dagegen erwächst bei wiederholten Erkrankungen des nahen Angehörigen ein neuer Anspruch auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB.[5]

[15e] Eine solche Vorschrift enthält z. B. § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX für die Bemessung des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge