• Einführung des Pflegezeitgesetzes zum 1.7.2008

Zum 1.1.1995 wurde die gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) eingeführt. Sie hat nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums bei Versicherten wie Pflegebedürftigen ein hohes Maß an Akzeptanz erreicht. Ihre Leistungen tragen dazu bei, dass viele Pflegebedürftige entsprechend ihrem persönlichen Wunsch zu Hause versorgt werden können, und sie helfen den Pflegebedürftigen und ihren Familien, die finanziellen Aufwendungen, die mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängen, zu tragen. Dennoch bestand Weiterentwicklungsbedarf.[1] Nachbesserungen seit Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im SGB XI sollen den Wunsch vieler Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen nach einer ambulanten Versorgung in der vertrauten Umgebung des Pflegebedürftigen berücksichtigen.

Der Anteil der pflegenden Angehörigen, die zugleich berufstätig sind, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und wird auch weiter zunehmen. Arbeitgeber müssen sich daher auf die Doppelbelastung von Pflege und Beruf stärker einstellen. Dazu gehört auch, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Beschäftigten für die zusätzlichen Aufgaben der Pflege ihrer Angehörigen Wertschätzung erfahren und Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, neben der Erwerbstätigkeit die Angehörigenpflege zu bewältigen.

In der Folge hat der Bundestag am 14.3.2008 das "Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz – PfWG)" beschlossen. Arbeitsrechtlich von Bedeutung ist die mit dem Gesetz verbundene Einführung eines "Gesetzes zur Förderung der häuslichen Pflege naher Angehöriger (Pflegezeitgesetz – PflegeZG").[2] Das Gesetz ist am 1.7.2008 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist, Beschäftigten die Möglichkeit zu eröffnen, pflegebedürftige nahe Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege soll verbessert werden (§ 1 PflegeZG).

Mit Wirkung ab 1.1.2012 ist – ergänzend zum PflegeZG – das Gesetz zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf (Familienpflegezeitgesetz – FPfZG) in Kraft getreten.[3]

  • Grundlegende Änderungen der Gesetze

Beide Gesetze haben mit dem "Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf" vom 23.12.2014[4] grundlegende Änderungen erfahren. Auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bleiben das PflegeZG und das FPfZG als eigenständige Gesetze nebeneinander bestehen. Beide Gesetze wurden aber miteinander verzahnt.

Seit 1.1.2015 besteht für die Dauer der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung für die Organisation einer akut aufgetretenen Pflegesituation ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld als Entgeltersatzleistung (vergleichbar dem Kinderkrankengeld). Zur besseren Absicherung des Pflegenden während der Pflegezeit gibt es seit 1.1.2015 einen Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gezahlt wird.

Das Instrument der Familienpflegezeit hat durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf zum 1.1.2015 aus Sicht der Arbeitgeber wesentliche Vereinfachungen erfahren. So entfällt z. B. der bisher durch den Arbeitgeber zu leistende Aufstockungsbetrag.[5]

Nach einer im Oktober 2016 veröffentlichten Umfrage, die das Institut TNS Emnid im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend durchgeführt hat, nahmen seit der Reform des Pflege- und Familienpflegezeitgesetzes Anfang 2015 mindestens 68.288 Beschäftigte die Möglichkeiten einer Freistellung im Rahmen der Pflege- oder Familienpflegezeit in Anspruch.

Mit dem Zweiten Gesetz zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II[6]) ist die Pflegeversicherung und die pflegerische Versorgung durch einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsinstrument auf eine neue pflegefachliche Grundlage gestellt worden. Der zum 1.1.2017 wirksam gewordene neue Pflegebedürftigkeitsbegriff erfasst gleichermaßen die Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorrangig somatisch beeinträchtigter Pflegebedürftiger ebenso wie von vorrangig kognitiv und psychisch beeinträchtigten Menschen. Dieser im SGB XI ab 1.1.2017 etablierte neue Pflegebedürftigkeitsbegriff stellt einen Paradigmenwechsel dar, der eine noch stärker personenzentrierte und bedarfsgerechte Pflege ermöglicht. 5 Pflegrade ersetzen seit dem 1.1.2017 die bisherigen 3 Pflegestufen. Die 5 Pflegegrade sind abgestuft von geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (Pflegegrad 1) bis zu schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergehen (Pflegegrad 5). Die Ausgestaltung des Leistungsrechts in der Pflegeversicherung wird eine noch differenziertere Leistungs- und Angebotspalette ermöglichen, die eine wohnortnahe Pflege so...

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