Hinweis

In früheren Entscheidungen hatte das BAG zunächst klargestellt, dass Leiharbeitnehmer hinsichtlich der beim Entleiher geltenden Schwellenwerte zur Bestimmung der Betriebsgröße ­unberücksichtigt bleiben. Begründet wurde dies formaljuristisch mit dem fehlenden Arbeitsverhältnis zum Entleiher sowie mit der Vorschrift des § 14 Abs. 1 AÜG, wonach Leiharbeitnehmer Angehörige des Verleiherbetriebs bleiben. Durch 3 weitere, neuere Entscheidungen hatte das BAG diese Rechtsansicht bereits aufgegeben.[1]

 
Wichtig

Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten im Entleiherbetrieb

In dem neuen § 14 Abs. 2 Satz 4 AÜG wird klargestellt, dass Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten – mit Ausnahme des § 112a des BetrVG – auch im Entleiherbetrieb mitzählen. Damit greift der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BAG auf.

4.6.1 Größe des Betriebsrats

In seiner Entscheidung vom 13.3.2013[1] hat das BAG klargestellt, dass Leiharbeitnehmer auch bei der Bestimmung der Betriebsgröße nach § 9 BetrVG zu berücksichtigen sind.

§ 9 BetrVG bestimmt die Größe des Betriebsrats in Abhängigkeit von den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern. Bei kleineren Betrieben von 5 bis 100 Arbeitnehmern kommt es darüber hinaus auch auf die Wahlberechtigung der Arbeitnehmer an.

Nach der Entscheidung des BAG sind Leiharbeitnehmer, die nicht ausnahmsweise nur zum Zeitpunkt der Wahl beschäftigt werden, als regelmäßig Beschäftigte bei der Größe des zu bildenden Betriebsratsgremiums gem. § 9 BetrVG mitzuzählen. Begründet wurde dies insbesondere durch eine am Sinn und Zweck der Schwellenwerte orientierten Auslegung des Gesetzes. Denn nach Sinn und Zweck von § 9 BetrVG solle die Zahl der Betriebsratsmitglieder in einem angemessenen Verhältnis zur Zahl der betriebsangehörigen Arbeitnehmer stehen, deren Interessen und Rechte der Betriebsrat zu wahren habe. Auch wenn der Betriebsrat des Entleiherbetriebs für Leiharbeitnehmer nur partiell zuständig sei, erstrecke sich seine Mitbestimmung auf eine Fülle von Aufgaben wie z. B. die Beteiligung bei Einstellungen als personelle Maßnahmen gem. § 99 BetrVG oder auch auf eine Vielzahl von sozialen Angelegenheiten gem. § 87 BetrVG. Um diese angemessene Berücksichtigung zu erreichen, seien daher regelmäßig im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer auch bei der Berechnung der Größe des Betriebsrats mitzuzählen.

4.6.2 Freistellung von Betriebsratsmitgliedern

Auch hinsichtlich der Festlegung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG sind die regelmäßig beim Entleiher tätigen Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, unter Verzicht auf deren Arbeitskraft, mehr Mitarbeiter als bisher für ihre Betriebsratstätigkeit vollständig von der Arbeit freizustellen.

4.6.3 Betriebsänderungen i. S. d. § 111 Satz 1 BetrVG

Nach § 111 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit i. d. R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und diese mit ihm zu beraten. Die Rechte des Betriebsrats, die sich aus dem Vorliegen einer Betriebsänderung ergeben können (insbesondere Abschluss eines Interessenausgleichs sowie eines Sozialplans), sind von der Unternehmensgröße abhängig und sind erst dann einschlägig, wenn der maßgebliche Schwellenwert von 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern überschritten ist.

Das BAG stellte in seiner Entscheidung vom 18.10.2011[1] fest, dass bei der Ermittlung dieser Unternehmensgröße i. S. v. § 111 Satz 1 BetrVG auch Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind, die länger als 3 Monate im Unternehmen eingesetzt sind, sofern Leiharbeitnehmer auf dieser Position "i. d. R.", sprich mindestens 6 Monate im Jahr, beschäftigt werden.

Zur Begründung zieht das BAG den Normzweck heran. Der Schwellenwert in § 111 Satz 1 BetrVG bezwecke, kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung durch Sozialpläne zu schützen. Da es für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens aber keinen Unterschied mache, ob Arbeitsplätze mit eigenen Arbeitnehmern oder Leiharbeitnehmern besetzt seien, sondern allein die "Kopfzahl" entscheide, seien auch Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Unternehmensgröße i. S. v. § 111 Satz 1 BetrVG mitzuzählen.

4.6.4 Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes – § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG

Bei der Berechnung der für § 23 KSchG maßgebenden Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem "i. d. R." vorhandenen Personalbedarf beruht.[1]

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31.12.2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen i. d. R. mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Nach Auffassung des BAG sind bei der Berechnung der Betriebsgröße auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berü...

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