Vom Anwendungsbereich des AÜG ist gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG weiter ausgenommen, die Arbeitnehmerüberlassung
zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird.
Eine Einrichtung des Gesundheitswesens betreibt Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen. Sowohl für das Krankenhaus als auch für die Altenpflegeeinrichtungen wurde jeweils eine eigene GmbH gegründet. Die Gesellschaften stehen in einem Konzernverbund. Nur die Krankenhaus-GmbH ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) und damit an den TVöD-K gebunden. In der Altenpflege-GmbH kommt der Tarifvertrag nicht zur Anwendung.
Die Einrichtung beabsichtigt, neu eingestellte Arbeitnehmer, die aus dem Bereich der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kommen und in der Altenpflege-GmbH eingesetzt werden sollen, in der Krankenhaus-GmbH anzustellen, um tarifliche Entgelte und die Zusatzversorgung bei einer kommunalen Zusatzversorgungskasse fortzuführen, und die Beschäftigten sodann zur Arbeitsleistung in die Altenpflege-GmbH zu schicken.
Auch wenn die diversen GmbHs in einem Konzernverbund stehen, wäre die Personalgestellung nicht aus dem Anwendungsbereich des AÜG ausgenommen, weil diese im geschilderten Beispiel dauerhaft erfolgen soll. Die Krankenhaus-GmbH bräuchte für die Arbeitnehmerüberlassung eine Erlaubnis und müsste auch die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten einhalten.
Das BAG hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage der Arbeitnehmerüberlassung im Konzern beschäftigt und die im vorstehenden Beispiel vertretene Auffassung vom Grundsatz her bestätigt:
Überlässt ein Unternehmen, das einem Konzern angehört, einen Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgt ist. In diesem Fall kann sich das entleihende Unternehmen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz(AÜG) berufen.
Zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer kommt nach § 10 Abs.1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer aus einem der in § 9 Abs. 1 AÜG aufgeführten Gründe – z.B. mangels Vorliegens einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung – unwirksam ist. Diese Rechtsfolge tritt bei einer Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen nicht ein, wenn der Arbeitnehmer „nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird“(§ 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG). Wird der Arbeitnehmer dagegen „zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt“, unterliegt die Überlassung den Vorschriften des AÜG.
Der Kläger war vom 14. Juli 2008 bis zum 30. April 2020 bei der S-GmbH angestellt. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit verrichtete er auf dem Werksgelände der Beklagten, einem anderen Unternehmen.Die Beklagte und die S-GmbH waren während der Beschäftigungsdauer des Klägers konzernverbundene Unternehmen. Die genauen Umstände, unter denen der Kläger seine Arbeitsleistung erbrachte, sind zwischen den Parteien umstritten.
Der Kläger machte geltend, zwischen den Parteien sei nach § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, weil er seit Anbeginn seiner Beschäftigung bei der Beklagten unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden sei. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH sei nicht dienst- oder werkvertraglicher Natur gewesen, sondern als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren.
Das BAG entschied:
Das Konzernprivileg ist nicht anwendbar, wenn Einstellung "und" Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion „und“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ist allerdings als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt das Konzernprivileg somit auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt "oder" beschäftigt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitnehmer seit Beschäftigungsbeginn über mehrere Jahre hinweg durchgehend als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Eine solche Praxis indiziert einen entsprechenden Beschäftigungszweck.
Der Neunte Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses wird zunächst die erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen haben, um beurteilen zu können, ob eine Arbeitnehmerüberlassung gegeben war und das AÜG anzuwenden ist. Dies hängt davon ab, ob der Kläger tatsächlich in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert war und deren Weisungen unterlag oder allein die S-GmbH gegenüber dem Kläger weisungsbefugt war.