Leitsatz (amtlich)

1. Das Initiativrecht aus § 70 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG deckt keinen Antrag eines Personalrats, der darauf gerichtet ist, die vorgegebenen Beratungszeiten für bestimmte Tätigkeitsbereiche bei der Bundesagentur für Arbeit auszudehnen.

2. Das in § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG liegende finale Element hat sich nicht an dem subjektiven Willen des jeweiligen „Initiators” zu orientieren, sondern bedarf einer an objektiven Kriterien ausgerichteten Betrachtung der Zweckbestimmung der beabsichtigten Maßnahme.

 

Normenkette

BPersVG § 70 Abs. 1 S. 1, § 75 Abs. 3 Nr. 11

 

Verfahrensgang

VG Köln (Aktenzeichen 33 K 3633/10.PVB)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 13.09.2012; Aktenzeichen 6 PB 10.12)

 

Tenor

In einem Kundenkontaktkonzept vom 3.5.2007 legte der Beteiligte für den Bereich der Arbeitsvermittlung und -beratung auf der Grundlage von Vorgaben der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit für das Erstgespräch mit dem Kunden grundsätzlich eine Dauer von 45 Minuten und für die Folgegespräche eine Dauer von in der Regel 30 Minuten fest. Trotz einer Fortentwicklung der Vermittlungsarbeit der Agenturen durch die Zentrale der Bundesanstalt für Arbeit blieben diese Festlegungen in dem Kundenkontaktkonzept in der Folgezeit unverändert.

Im März 2011 beantragte der Antragsteller unter Hinweis auf ein ihm nach § 70 Abs. 1 i. V. m. § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG zustehendes Initiativrecht, als Maßnahme zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen die Beratungszeiten für die einzelne Bereiche der Dienststelle angemessen anzuheben, da sich die Arbeitsvermittler und -berater durch die zeitlichen Vorgaben für die Kundengespräche in einer permanenten Stresssituation befänden und es Aufgabe des Beteiligten sei, dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten nicht durch psychische Belastungen in ihrer Gesundheit beeinträchtigt würden. Der Beteiligte verneinte ein dem Antragsteller zustehendes förmliches Antragsrecht unter Hinweis darauf, dass es an einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit fehle. Das daraufhin vom Antragsteller eingeleitete Beschlussverfahren blieb auch im Beschwerdeverfahren ohne Erfolg.

 

Gründe

Der Beteiligte ist nicht verpflichtet, den Initiativantrag des Antragstellers betreffend die Anhebung der vorgegebenen Beratungszeiten als mitbestimmungspflichtige Maßnahme inhaltlich zu bescheiden.

Die vom Antragsteller begehrte inhaltliche Bescheidung seines Initiativantrags setzt nach § 70 Abs. 1 Satz 1 BPersVG voraus, dass es sich bei der beantragten Maßnahme um eine solche handelt, die nach § 75 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 und 11 bis 17 BPersVG der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt. Daran fehlt es aber.

Hinsichtlich der beantragten Maßnahme kommt – auch nach Auffassung des Antragstellers – allein eine Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit – wie hier – eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen. Die Voraussetzungen dieses Mitbestimmungstatbestandes liegen aber für die vom Antragsteller beantragte Maßnahme nicht vor.

Das Eingreifen des Mitbestimmungstatbestandes aus § 75 Abs. 3 Nr. 11 BPersVG setzt nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme „zur Verhütung” der genannten Gefährdungen ergriffen werden soll. Das heißt, dass sie darauf abzielt, das Risiko von Gesundheitsschädigungen oder Unfällen innerhalb der Dienststelle oder des Betriebes zu vermindern oder einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Damit unterliegen Maßnahmen, die in erster Linie andere Zwecke verfolgen und sich nur mittelbar auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auswirken, nicht dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Der Mitbestimmungstatbestand umfasst deshalb nicht jede Maßnahme, die objektiv oder auch nur subjektiv Einfluss auf das Wohlbefinden einzelner oder aller Beschäftigten haben kann, sondern nur Maßnahmen von rechtserheblicher Bedeutung. Er erfasst nur Arbeitsschutzmaßnahmen, die nach gesetzlicher Vorschrift oder aus freiem Entschluss ergriffen werden sollen, um die Beschäftigten allgemein zu schützen oder vor konkreten Gefahren zu bewahren, welche die Tätigkeiten auf bestimmten Arbeitsplätzen mit sich bringen.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8.1.2011 – 6 P 6.00 –, Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 102 = DVBl. 2001, 1070 = PersR 2001, 154 = ZfPR 2001, 68 = ZTR 2001, 236, vom 25.8.1986 – 6 P 16.84 –, Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 46 = NJW 1987, 1658 = PersR 1986, 235 = PersV 1987, 287 = ZBR 1987, 60, vom 17.2.1986 – 6 P 21.84 –, BVerwGE 74, 28 = Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 6 = DVBl. 1986, 895 = NJW 1986, 2778 = NVwZ 1986, 924 = PersR 1986, 194 = PersV 1986, 328 = ZBR 1986, 214, und vom 24.1.1986 – 6 P 8.83 –, Buchholz 238.35 § 61 HePersVG Nr. 3 = DVBl. 1986, 893 = PersR 1986, 176 = PersV 1986, 328 = ZBR 1986, 213.

Mit dem Mitbestimmungstatbestand aus § 75 ...

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