Mitbestimmung bei Gleitzeitsystemen

Verschiedene Fragen bei Arbeitszeitsystemen bzw. -modellen unterliegen der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Bei einem Gleitzeitsystem ist zwar Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer nicht fixiert. Den Mitarbeitern wird lediglich ein Rahmen vorgegeben. Die erforderlichen Einzelheiten sind aber dennoch zwischen den Betriebspartnern festzulegen. Insbesondere die Gleitspannen, die Kernarbeitszeit und andere Fragen, die sich auf die Lage der Arbeitszeit auswirken können, unterliegen der Mitbestimmung.

Sind in einer Gleitzeitregelung Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festgelegt (z. B. dahingehend, dass die Arbeitszeit nicht vor 6 Uhr beginnen darf und spätestens um 19 Uhr enden muss), ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine etwaige Überschreitung dieses Gleitzeitrahmens durch Arbeitnehmer zu verhindern.[1]

Der Arbeitgeber kann gegenüber einem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats nicht erfolgreich einwenden, er sei seiner Verpflichtung zur Durchführung der Betriebsvereinbarungen dadurch nachgekommen, dass er die außerhalb des Gleitzeitrahmens geleisteten Arbeiten nicht vergütet habe. Er hat vielmehr seinen Betrieb so zu organisieren, dass die betriebsverfassungsrechtlich geregelten Arbeitszeitgrenzen eingehalten werden. Hierzu muss er die Übereinstimmung betrieblicher Abläufe mit den normativen Vorgaben der von ihm geschlossenen Betriebsvereinbarungen überprüfen und erforderlichenfalls korrigierend eingreifen. Er kann sich seiner Verantwortung für die Führung seines Betriebs nicht entziehen und darf nicht tatenlos zuschauen, wenn der Gleitzeitrahmen überschritten wird.

Erfassung der Arbeitszeit/Gleitzeit

Verbreitet wird die sog. "Vertrauensarbeitszeit" propagiert, bei der eine Kontrolle der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber nicht stattfindet. Der Mitarbeiter verfügt eigenverantwortlich über seine Arbeitszeit. Bei hoher Identifikation des Mitarbeiters mit der Firma bzw. dem Produkt oder der Dienstleistung erscheint die Einführung von Vertrauensarbeitszeit durchaus sinnvoll.

In einigen Firmen/Einrichtungen führt die Nichterfassung der Arbeitszeit dazu, dass die Mitarbeiter wesentlich mehr als die arbeitsvertraglich bzw. tarifvertraglich geschuldete Wochenarbeitszeit leisten. Allein aus Gründen der Fürsorge für die Gesundheit der Mitarbeiter will der Betriebsrat einen Überblick über den Umfang der geleisteten Arbeitszeit erhalten.

Nach der Rechtsprechung des BAG steht dem Betriebsrat bei der Vertrauensarbeitszeit ein Auskunftsanspruch über die geleistete Arbeitszeit zu. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Betriebsrat Anspruch auf Erteilung aller Auskünfte, derer er zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben bedarf. Der Betriebsrat hat deshalb zu überprüfen, ob die in § 5 ArbZG vorgeschriebene Mindestruhezeit von elf Stunden und die tarifliche Arbeitszeit eingehalten werden. Die dazu notwendigen Informationen muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat geben. Der Arbeitgeber kann sich dem nicht entziehen, indem er von der tatsächlichen Arbeitszeit seiner Beschäftigten keine Kenntnis nehmen will.[2]

 
Praxis-Tipp

Der Betriebsrat kann bei Vertrauensarbeitszeit verlangen, dass die Arbeitszeit erfasst wird, damit eine etwaige Überschreitung der tariflichen Arbeitszeit festgestellt werden kann.

Fehlen Anreize in der Vergütung, wie Ergebnisbeteiligungen, Leistungszulagen, so besteht die Gefahr, dass die Mitarbeiter Arbeitsunterbrechungen, Pausen, Leerzeiten u. Ä. mit berücksichtigen, um die tarifliche bzw. betriebliche Wochenarbeitszeit zu erreichen. Für den Arbeitgeber optimal ist es, wenn lediglich der Arbeitserfolg – z. B. das Profit-Center-Ergebnis, das Projektergebnis – kontrolliert und honoriert wird, nicht jedoch die dafür im Einzelnen aufgewendete Arbeitszeit. Eigenverantwortlich arbeitende Mitarbeiter sind im Regelfall äußerst motiviert und damit produktiv für den Arbeitgeber.

Gleitzeitmodelle werden verbreitet durch Selbstaufschrieb der Mitarbeiter abgewickelt. Eine Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht bei der Einführung von Arbeitszeit- und Tätigkeitsnachweisen in Form von Zeitberichtsformularen nicht, da nicht die Lage der Arbeitszeit, sondern nur deren Nachweis betroffen ist.[62a] Werden zur Zeiterfassung jedoch Formulare eingeführt, so unterliegt deren Inhalt grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – Ordnung des Betriebs. Dass die Arbeitszeit bei Gleitzeit überhaupt erfasst wird, ist jedoch arbeitsnotwendig und damit mitbestimmungsfrei.

Ein Betriebsrat wird regelmäßig den Selbstaufschrieb durch die Mitarbeiter der sehr weit gehenden Kontrolle durch die elektronische Datenerfassung vorziehen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Arbeitgeber die Richtigkeit der manuell erstellten Arbeitszeitnachweise detailliert tatsächlich überwacht und – über Abmahnungen bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung bei falschen Aufschrieben – entsprechenden Druck auf die Mitarbeiter ausübt.

Insbe...

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