EuGH, Urteil v. 19.3.2020, C-103/18

Die Mitgliedstaaten dürfen Fälle von Befristungen, in denen ein Arbeitnehmer aufgrund von mehreren Einstellungen dauerhaft eine Vertretungsstelle innehatte, ohne dass ein Auswahlverfahren stattfand, sodass das Arbeitsverhältnis implizit von Jahr zu Jahr verlängert wurde, nicht vom Begriff "aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse" ausnehmen.

Sachverhalt

In diesem spanischen Vorlagefall ging es um mehrere Personen, die seit Langem im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse im Gesundheitsdienst der Comunidad de Madrid tätig sind. Ihr Antrag, als fest angestelltes Personal oder hilfsweise als öffentliche Bedienstete mit einem ähnlichen Status anerkannt zu werden, wurde abgelehnt. Die mit den dagegen erhobenen Klagen befassten spanischen Gerichte hatten dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die insbesondere die Auslegung von § 5 der Rahmenvereinbarung (Anhang der RL 1999/70/EG) betreffen.

Die Entscheidung

Der EuGH hat im Sinne der Kläger entschieden.

Das Gericht entschied zunächst, dass die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner Fälle wie vorliegend, wenn ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen mehrerer Einstellungen über mehrere Jahre hinweg ununterbrochen dieselbe Stelle innehabe bzw. dauerhaft auf derselben Stelle bleibe sowie stetig und kontinuierlich dieselben Aufgaben erfülle, weil der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Verpflichtung, fristgerecht ein Auswahlverfahren zur endgültigen Besetzung der freien Stelle durchzuführen, nicht nachkam und das Arbeitsverhältnis daher von Jahr zu Jahr implizit verlängert werde, nicht vom Begriff "aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse" i. S. v. § 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ausnehmen dürften.

Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer der Begründung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse zugestimmt habe, beraube ihn nicht des Schutzes, den er aufgrund der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge genießt; greife ein öffentlicher Arbeitgeber missbräuchlich auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse zurück, ist der Umstand, dass der betreffende Beschäftigte der Begründung und/oder Verlängerung solcher Arbeitsverhältnisse zugestimmt habe, nicht geeignet, dem Verhalten des Arbeitgebers jeden missbräuchlichen Charakter zu nehmen.

Des Weiteren stehe § 5 der Rahmenvereinbarung nationalen Rechtsvorschriften und einer nationalen Rechtsprechung entgegen, soweit aufeinanderfolgende Verlängerungen befristeter Arbeitsverhältnisse allein deswegen als durch "sachliche Gründe" (wie z. B. Erforderlichkeit, Dringlichkeit oder Durchführung von Programmen zeitlich begrenzter, konjunktureller oder außerordentlicher Art) gerechtfertigt seien, wenn die betreffenden Arbeitgeber nicht durch nationale Rechtsvorschriften und die nationale Rechtsprechung gehindert würden, mit solchen Verlängerungen einen ständigen und permanenten Arbeitskräftebedarf zu decken.

Der EuGH führte jedoch weiter aus, dass das Unionsrecht ein nationales Gericht nicht dazu verpflichte, bei einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem öffentlichen Arbeitgeber eine nationale Regelung, die nicht mit § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung im Einklang steht, unangewendet zu lassen; denn dieser Paragraf entfalte keine unmittelbare Wirkung und könne als solcher nicht im Rahmen eines dem Unionsrecht unterliegenden Rechtsstreits geltend gemacht werden, um die Anwendung einer ihm entgegenstehenden Bestimmung des nationalen Rechts auszuschließen.

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