In der Sozialversicherung werden Beiträge zu den einzelnen Versicherungszweigen nicht nach dem Zuflussprinzip erhoben. Vielmehr gilt nach § 22 SGV IV für laufendes Arbeitsentgelt das Entstehungsprinzip. Die Sozialversicherungsbeiträge für laufenden Arbeitslohn werden nach Arbeitsentgelt erhoben, das arbeitsrechtlich für die erbrachte Arbeitsleistung geschuldet wird. Ob der Arbeitgeber dieses Arbeitsentgelt tatsächlich ausbezahlt hat, spielt keine Rolle.

Das Entstehungsprinzip ist eines der entscheidenden Schutzvorschriften der Sozialversicherung – und gleichzeitig einer der wesentlichsten Unterschiede zum Lohnsteuerrecht. Lediglich für die Einmalzahlungen – z. B. die Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD – gilt auch in der Sozialversicherung das Zuflussprinzip. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt versicherungspflichtig Beschäftigter ist grundsätzlich dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem es gezahlt wird (§ 23a Abs. 1 Satz 3 SGB IV).

Das Entstehungsprinzip in der Sozialversicherung kann dazu führen, dass der Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitsentgelt schuldet, das er in der Praxis gar nicht ausbezahlt hat (Phantomlohn). Es gab und gibt hieraus auch kein Entrinnen:

Die Sozialversicherungsbeiträge aus dem geschuldeten, laufenden Arbeitsentgelt werden auch dann erhoben, wenn

  • der Arbeitnehmer mit der geringeren Auszahlung des Arbeitsentgelts einverstanden war oder darauf aus anderen Gründen (Einhaltung von gesetzlichen Einkommensgrenzen) verzichtet hat;
  • den Arbeitgeber kein oder nur ein geringes Verschulden trifft;
  • in einer früheren Sozialversicherungsprüfung diese Problematik gar nicht aufgegriffen wurde (kein Vertrauensschutz).[1]

Bisher waren von dieser Regelung vor allem Arbeitgeber betroffen, bei denen ein Tarifvertrag, ein für allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag oder eine andere gesetzliche Regelung (z. B. equal pay bei der Arbeitnehmerüberlassung) die Höhe des Arbeitsentgelts verbindlich festlegen. Durch den Mindestlohn ist für die Sozialversicherung nunmehr ein gesetzlicher Lohnanspruch zementiert und die Sozialversicherungsbeiträge sind aus dem Arbeitsentgelt abzuführen, das nach dem MiLoG gesetzlich geschuldet wird – egal ob es gezahlt wurde oder nicht.

Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Unterschreitung des Mindestlohns fest, sind 2 Varianten denkbar:

  • ausgehend vom gesetzlichen Mindestlohn werden SV-Beiträge nacherhoben. Hinzu kommen Säumniszuschläge.
  • Der Prüfer bezweifelt, z. B. bei Ehegatten-Arbeitsverhältnissen, die Ernsthaftigkeit des Arbeitsverhältnisses[2] – es sei denn, es wurde ordnungsgemäß eine Statusklärung nach §§ 7a Abs. 1 SGB IV durchgeführt, sodass die Versicherungspflicht entfällt.

Verschärft wird die Problematik Phantomlohn durch die erweiterten Aufzeichnungsvorschriften nach § 17 Abs. 1 MiLoG.

[2] Vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der SV v. 13.4.2010, insbesondere Anlage 4, Tz. 1.2.3.

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