Eine besondere Brisanz bekommt der gesetzliche Mindestlohn dadurch, dass seine Einhaltung von den Zollbehörden kontrolliert wird (§ 14 MiLoG). Der Zoll hat dafür nach § 15 MiLoG gleiche Befugnisse wie bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Die Vorschriften des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes gelten im Wesentlichen entsprechend. Der Zoll hat insbesondere die Befugnis, auch Einsicht in Arbeitsverträge und Niederschriften nach § 2 des Nachweisgesetzes und andere Geschäftsunterlagen zu nehmen, die mittelbar oder unmittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns nach § 20 Mindestlohngesetz geben. Der Arbeitgeber hat umfangreiche Mitwirkungs- und Vorlagepflichten. Dabei ist diese Kontrolle nicht darauf beschränkt, ob der gesetzliche Mindestlohn tatsächlich gezahlt wird, sondern die Zollbehörden kontrollieren die Einhaltung sämtlicher Regelungen des Mindestlohngesetzes, also auch die Einhaltung der Vorgaben für Arbeitszeitkonten und die Fälligkeitsregelungen bezüglich des Mindestlohns.

Rechtsmittel gegen Bußgeldbescheide wegen Verletzung der Pflichten nach dem Mindestlohngesetz werden nicht vor den Arbeitsgerichten, sondern vor den Amtsgerichten und in letzter Instanz vor den Bußgeldsenaten der Oberlandesgerichte verhandelt. Damit ergibt sich die skurrile Situation, dass ein wesentlicher Teil des deutschen Arbeitsrechts, nämlich der gesamte Bereich des Mindestlohnrechts, nicht mehr alleine von den Arbeitsgerichten, sondern wesentlich auch von der ordentlichen Gerichtsbarkeit – die sonst von arbeitsrechtlichen Fragestellungen verschont bleibt – geprägt wird. Im Hinblick auf die Gefahr der Verhängung von Bußgeldern werden die Arbeitgeber sich bei der Auslegung des Mindestlohngesetzes zur Vermeidung von Auseinandersetzungen mit den Zollbehörden zukünftig auch wesentlich an der Auslegung des Mindestlohngesetzes durch die Zollbehörden orientieren (müssen).

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber zahlt Überstunden nicht aus, sondern schreibt sie einem durch mündliche Vereinbarung errichteten Zeitkonto des Arbeitnehmers gut.

Im Fall einer Kontrolle durch die Zollbehörden werden diese entsprechend § 2 Abs. 2 Mindestlohngesetz verlangen, dass der Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung über die Errichtung des Zeitkontos vorlegt. Da der Arbeitgeber das hier nicht kann, hat er gegen die Regelungen über die Fälligkeit der Auszahlung des Mindestlohns verstoßen und gegen ihn kann ein Bußgeld verhängt werden.

Das führt auch dazu, dass Arbeitgeber bei streitigen Lohnfragen Gefahr laufen, mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, den Mindestlohn nicht gezahlt zu haben. Aus Sicht von Arbeitnehmern kann die Anzeige beim Zoll ein Druckmittel sein, die Lohnzahlung zu "beschleunigen". Da auch die fahrlässige Nichtzahlung des Mindestlohns eine Ordnungswidrigkeit ist, ist jedenfalls bei einer Verkennung der Rechtslage die Ordnungswidrigkeit eingetreten.

Diese Gefahr besteht aber nur dann, wenn es um Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeit geht, denn nur für diese besteht nach der Rechtsprechung ein Anspruch auf den Mindestlohn.[1]

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitnehmer verursacht bei seiner Arbeit grob fahrlässig einen erheblichen Schaden; der Arbeitgeber rechnet bei der nächsten Gehaltsabrechnung mit seinen Schadensersatzansprüchen bis zur Pfändungsfreigrenze auf. Dadurch "rutscht" der Arbeitnehmer unter einen Netto-Auszahlungsbetrag unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns und macht geltend, der Arbeitgeber habe gegen das Mindestlohngesetz verstoßen. Wie sich der Zoll in derartigen Fällen einer Instrumentalisierung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten verhalten wird, ist unklar. In Zweifelsfällen ist es eine Möglichkeit, wenigstens den Mindestlohn zu zahlen.

Derzeit erfolgen die Kontrollen des Zolls aufgrund interner Weisung überwiegend in Betrieben der Schwarzarbeitsbranchen. Gelangt der Zoll bei einer Überprüfung zur Auffassung, es liege ein Verstoß gegen das MiLoG vor, muss mit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gerechnet werden, das sich regelmäßig gegen die den Arbeitgeber vertretungsberechtigte Person richten wird und sich zugleich auch an die juristische Person wenden kann.

 
Hinweis

Es gibt derzeit auch für den rechtstreuen Arbeitgeber nur eingeschränkte Möglichkeiten, Rechtssicherheit in Bezug auf das MiLoG zu erlangen. Beim BMAS gibt es eine "Mindestlohn-Hotline". Auch die Zollverwaltung bietet auf ihren Internetseiten Rufnummern zur Beantwortung von Fragen zum Mindestlohn an. Allerdings erteilt der Zoll nach einer Kontrolle keine Bescheide.

Der Arbeitgeber hat abzuwarten, ob nach einer Überprüfung nun ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eröffnet wird oder nicht. Allerdings ist bei kleineren Verstößen derzeit wohl nicht mit Ordnungswidrigkeitenverfahren zu rechnen.

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