Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufungszulassung wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. keine Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an eine Meldeaufforderung. Angabe des Meldezwecks. Anordnung der Fortwirkung der Meldeaufforderung über die Arbeitsunfähigkeit hinaus. fehlende Angabe des Zwecks der Fortwirkung im Einzelfall

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Meldeaufforderung nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III muss erkennbar sein, dass die Meldung einem der in § 309 Abs 2 SGB III genannten Zwecke dienen soll.

2. Es kann dahinstehen, ob die Fortwirkung einer Meldeaufforderung nach § 309 Abs 3 S 3 SGB III stets voraussetzt, dass nicht nur der Zweck der eigentlichen Meldeaufforderung, sondern auch der Zweck der Anordnung ihres Fortwirkens zumindest stichwortartig benannt wird. Jedenfalls dann, wenn es nach den Umständen des Falles fernliegend erscheint, dass eine spätere Meldung noch dem ursprünglichen Meldezweck dienen kann, führt die fehlende Angabe des Zwecks zur Rechtswidrigkeit der Anordnung.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Juli 2018 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, mit dem das Sozialgericht (SG) Magdeburg eine Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses aufgehoben hat.

Die 1976 geborene Klägerin bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) vom Beklagten. Mit Schreiben vom 7. Juni 2013 forderte der Beklagte sie auf, sich am 18. Juni 2013 um 13:40 Uhr bei ihm einzufinden, um ihr zur Verbesserung ihrer Eingliederungsaussichten das Projekt "IdA - Integration durch Austausch" vorzustellen. In dem Schreiben wurde ausgeführt: "Es werden zu diesem Gespräch ein Projektverantwortlicher und ein Mitarbeiter des Jobcenters anwesend sein. Gern können Sie auch Freunde/Bekannte, die Interesse am Projekt haben/haben könnten mitbringen." Weiter hieß es in dem Schreiben: "Sollten Sie am Meldetermin arbeitsunfähig erkrankt sein, melden Sie sich umgehend bei Ihrem zuständigen Fallmanager-Integration und weisen Sie Ihre Krankheit mittels Krankenschein nach. Melden Sie sich persönlich ebenfalls umgehend am ersten Tag Ihrer Genesung beim zuständigen Fallmanager-Integration." Im Schreiben wurde auf eine beigefügte Rechtsfolgenbelehrung verwiesen.

Die Klägerin nahm den Termin nicht wahr. Als der Beklagte sie daraufhin wegen einer Sanktion nach § 32 SGB II anhörte, teilte sie, vertreten durch das Sozialberatungszentrum H. e.V., mit, dass sie am 18. Juni an einer leichten Lungenentzündung erkrankt gewesen sei. Sie sei in der Zeit vom 17. bis zum 28. Juni krankgeschrieben gewesen. Am 17. Juni habe sie den Beklagten telefonisch über die Erkrankung informiert, am 21. Juni habe sie ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geschickt. Daraufhin hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Juli 2013 erneut an und verwies darauf, dass sie im Falle einer Erkrankung verpflichtet gewesen sei, sich am ersten Tag der Genesung persönlich bei ihrem Fallmanager zu melden. Da die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit bis zum 28. Juni vorgelegt habe und der 29. Juni ein Samstag gewesen sei, hätte sie am 1. Juli persönlich vorsprechen müssen.

Mit Bescheid vom 26. August 2013 stellte der Beklagte den Eintritt einer Minderung der SGB II-Leistungen um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2013 fest. Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies er mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2015 zurück.

Am 20. Februar 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Mit Urteil vom 6. Juli 2018 hat das SG M. den Bescheid vom 26. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2015 aufgehoben. Die Voraussetzungen einer Minderung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II lägen nicht vor, weil der Beklagte die Fortwirkung der Meldeaufforderung über die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin hinaus gemäß § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 3 Satz 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (Arbeitsförderung - SGB III) nicht in rechtmäßiger Weise angeordnet habe. Eine solche Fortwirkung setze voraus, dass nicht nur der Zweck der eigentlichen Meldeaufforderung, sondern auch der Zweck der Fortwirkung zumindest stichwortartig benannt werde (mit Verweis auf SG M., Urteil vom 17. August 2012 - S 17 AS 450/12 -, juris Rn. 24). Dies gelte insbesondere, wenn der Zweck der Fortwirkung nicht derselbe sein könne wie bei der eigentlichen Meldeaufforderung. So liege es hier. Denn es erscheine ausgeschlossen, dass der Beklagte der Klägerin das geplante Projekt auch am ersten Tag ihrer Arbeitsfähigkeit hätte vorstellen können. Davon sei die Kammer schon deshalb überzeugt, weil bei realistischer Betrachtung nicht zu erwarten sei, dass an jedem Tag ein Projektverantwortlicher be...

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