Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. beendeter Betriebsweg: Absetzen des letzten Arbeitskollegen. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. tätliche Auseinandersetzung unter Kollegen. Streit wegen betrieblicher Belange. Sicherstellung der Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs für die eigene Weiterfahrt nach Hause. Baustellenfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Körperverletzung unter Kollegen (Fausthieb), die ein Arbeitnehmer auf dem Nachhauseweg nach einem Streit über betriebliche Belange erleidet, kann ein Arbeitsunfall sein. Das gilt nicht, wenn wesentliche Ursache der erlittenen Körperverletzung Konflikte oder Beziehungen aus dem persönlichen Bereich sind.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10.03.2017 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2016 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, das Ereignis vom 19.09.2014 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Tätlichkeit eines Kollegen des Klägers als Arbeitsunfall.

Der 1969 geborene aus dem Kosovo stammende Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Gleisbauer bei dem Unternehmen L. W. GmbH & Co. KG in G. versicherungspflichtig beschäftigt. Nach einem Einsatz auf einer Baustelle in A. fuhr der Kläger am Nachmittag des 19.09.2014 einen Firmentransporter seiner Arbeitgeberin zurück nach G. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um einen Transporter mit Doppelkabine. In der hinteren Kabine saß der Arbeitskollege F.D. (im Folgenden: D.), der Arbeitskollege M. K . (im Folgenden: K.) saß rechts vom Kläger auf dem Beifahrersitz. Im Laufe der Rückfahrt nach G. gerieten der Kläger und K. verbal in Streit. In G. setzte der Kläger zunächst den D. ab, danach den K. Hierbei flammte der Streit zwischen dem Kläger und K. wieder auf und gipfelte schließlich in einer Tätlichkeit des K. gegen den Kläger: Dieser ging durch einen Faustschlag des K. zu Boden und wurde vom K. dann noch mit dem Fuß in den Kopfbereich getreten.

Der Kläger wurde mit dem herbei gerufenen Rettungswagen (RTW) in die Klinik E in G. transportiert, wo er am 19.09.2014 um 18:02 Uhr eintraf. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. S. beschrieb als Befund u.a. Schwindel, Cephalgien, Prellmarken an der Oberlippe sowie kleinere Hautabschürfungen am Außenknöchel und Daumen rechts und stellte, nachdem sich röntgenologisch kein Hinweis auf eine frische knöcherne Verletzung oder Blutung im Bereich des Kopfes gefunden hatte, die Diagnose einer Schädelprellung.

Der Arbeitgeber des Klägers verweigerte gegenüber der Beklagten die Erstellung einer Unfallanzeige, weil nicht geklärt habe werden können, warum der Streit entstanden sei. Auch ein Gespräch des Personalchefs mit den beiden am Streit Beteiligten habe zu keinem Ergebnis geführt.

Der K. gab gegenüber der Beklagten laut einem Aktenvermerk vom 02.12.2014 (Blatt 37 Verwaltungsakte der Beklagte - VA) an, der Kläger sei, anstatt ihn zuerst nach Hause zu fahren, an seinem Haus vorbei gefahren und habe erst den anderen Kollegen abgesetzt. Es sei dann auch noch zu einer verbalen Auseinandersetzung wegen dem offenen Fenster gekommen. Er habe das Fenster geöffnet, weil so stickige Luft im Auto gewesen sei. Als der Kläger ihn dann vor seiner Haustür abgesetzt habe, habe er noch seine Jacke aus dem Auto holen wollen. Dann sei der Kläger ihm beinah über den Fuß gefahren und sei dann ausgestiegen und habe ihn gewürgt. Daraufhin habe er ihm in seiner Panik, weil er fast keine Luft mehr bekommen habe, zur Seite gestoßen. Der Kläger sei bekannt für seine Gewalttätigkeit, 1,90 m groß und 100 kg schwer.

Der Kläger schilderte im Fragebogen „Streit“ der Beklagten den Vorfall wie folgt: Er sei auf dem Rückweg von der Arbeit der Fahrer gewesen, der (K.) habe mit dem Fenster gespielt. Nachdem der Kläger dem K. gesagt habe, er solle dies lassen, habe dieser angefangen ihn zu beleidigen. Beim Aussteigen habe er die Fahrzeugtüren geöffnet, der Kläger habe die Türen wieder geschlossen und versucht zu fahren. Nachdem sich dies dreimal so abgespielt habe, sei der Kläger mit geöffneten Türen weggefahren und habe dann die Türen geschlossen. Der K. sei hinterher gerannt und habe sie wieder geöffnet. Als der Kläger ihm gesagt habe, er solle heimgehen und Feierabend machen, habe er ihn „K. O. geschlagen“.

Aus einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin der Beklagten vom 18.03.2015 (Blatt 59 f. VA) ergibt sich, dass der mitfahrende Kollege D. in seiner Vernehmung bestätigt habe, dass das „Spielchen“ mit dem Fenster stattgefunden habe. Dieser habe noch ergänzt, dass normalerweise der K. bei den Heimfahrten zuerst aussteige. Er habe aber auch bestätigt, dass der Kläger des Öfteren verbal aufgefallen sei und schon mehrmals generell ausfällig über Türken geredet habe. Er habe etwas gegen Türken. Der K. habe berichtet, dass er vom Kläger des Ö...

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