Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer. Rechtswidrige und pflichtwidrige Störung der Betriebsratstätigkeit. Abgrenzung zwischen Maßnahmen der Berufsbildung und arbeitsplatzbezogenen Unterweisungen im Betriebsverfassungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die allgemeine Anweisung an die Arbeitnehmer, sich beim Verlassen des Betriebsgebäudes persönlich beim Dienstvorgesetzten zu melden, unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BetrVG.

2. Übertriebene oder polemische Äußerungen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen eines betriebsverfassungsrechtlichen Streits stellen für sich genommen keine Behinderung oder Störung der Betriebsratstätigkeit im Sinne von § 78 BetrVG dar.

3. Eine eintägige Online-Schulung zum Datenschutz für eine Mitarbeiterin, die im Rahmen ihrer Aufgaben auch sensible Daten zu verarbeiten hat, ist nicht zwingend eine Berufsbildungsmaßnahme im Sinne von §§ 96 ff. BetrVG, sondern kann eine arbeitsplatzbezogene Unterweisung nach § 81 Abs. 1 BetrVG darstellen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 87, 78, 98, 81 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 02.11.2017; Aktenzeichen 15 BV 139/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.11.2017, Aktenzeichen. 15 BV 139/16; abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:

2. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern aufzugeben, sich beim Betreten und Verlassen des Betriebes stets bei der leitungsverantwortlichen Person des jeweiligen Tages an- bzw. abzumelden, ohne dass der Antragsteller dem zugestimmt hätte oder seine Zustimmung durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden wäre.

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus der Ziffer 2 dieses Beschlusses wird der Beteiligten zu 2) für jeden Tag der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 € angedroht.

3. Die Anträge 2. und 3. sowie die in der Beschwerdeinstanz mit Schriftsatz vom 07.06.2018 gestellten Hilfsanträge des Beteiligten zu 1) werden abgewiesen.

5. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über eine durch die Beteiligte zu 2) einseitig angewiesene An- und Abmeldepflicht, über eine Äußerung der Beteiligten zu 2) gegenüber dem Antragsteller im gleichen Zusammenhang sowie über Beteiligungsrechte des Antragstellers im Bereich außerbetrieblicher Bildungsmaßnahmen.

Die Beteiligte zu 2) betreibt bundesweit Kinos, darunter das Kino "C..." in E.... In diesem Betrieb, dessen Betriebsrat der Antragsteller ist, sind etwa 60 Mitarbeiter beschäftigt. Die Beschäftigten nutzen ein elektronisches Zeiterfassungssystem mit Ein- und Ausstempeln.

Mit E-Mail vom 9.6.2016 forderte der Co-Theaterleiter Herr A... die Mitarbeiter der Beteiligten zu 2) auf, sich zu Beginn und Ende jeder Schicht bei der jeweiligen leitungsverantwortlichen Person persönlich an- bzw. abzumelden. Nur so könne im Brandfall die exakte Mitarbeiterzahl an die Feuerwehr übermittelt werden (Bl. 45 d.A).

Der Antragsteller machte mit E-Mail vom 13.6.2016 gegenüber der Beteiligten zu 2) geltend, die Maßnahme sei mitbestimmungspflichtig und im Übrigen unpraktikabel (Bl. 46 d.A.).

Hierauf antwortete Herr A... mit E-Mail vom 22.06.2016 wie folgt:

"Sehr geehrtes Gremium,

Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie in der Anweisung sich beim Betreten des Gebäudes an- und beim Verlassen wieder abzumelden erhebliche Probleme sehen. Diese Anweisung ist aus reinen Sicherheits- und arbeitnehmerschutzrechtlichen Aspekten ergangen.

Offenbar sehen Sie ein Problem darin, dass wir im Notfall in der Lage sind der Feuerwehr oder sonstigen Rettungskräften die korrekte Zahl der im Gebäude befindlichen Personen mitzuteilen. Diese Information ist für die Einleitung etwaiger Such- und Rettungsmaßnahmen jedoch relevant und sie kann Menschenleben retten. Alleine dafür benötigen wir die Informationen.

Selbstverständlich liegt es uns fern, die Betriebsratsarbeit dahingehend zu beeinträchtigen, dass wir im Notfall der Feuerwehr die korrekte Personenzahl der Gremiumsmitglieder im Gebäude benennen können.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es in Ihrer alleinigen Verantwortung liegt, wenn Sie sich nicht anmelden.

Für den Fall, dass Sie dadurch zu Schaden kommen übernehmen wir keinerlei Verantwortung und keinerlei Haftung. Sie Handeln im Wissen um die Notwendigkeit der Information vollkommen eigenverantwortlich.

Gleichwohl würden wir es begrüßen, wenn Sie dem Sicherheitsaspekt im eigenen Interesse folgenden die Anweisung umsetzen.

Beste Grüße

..."

In seiner Sitzung vom 27.06.2016 beschloss der Beteiligte zu 1) mit der Durchsetzung seiner Rechte eine anwaltliche Vertretung zu beauftragen. Mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) vom 06.07.2016 wurde die Beteiligte zu 2) aufgefordert, die fragliche Meld...

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