Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit und Rechtsfolgen der Kürzung des Urlaubs- und des Urlaubsabgeltungsanspruchs einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Urlaubsanspruch einer in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin kann auch noch nach dem Ende der Elternzeit gem. § 17 Abs 1 Satz 1 BEEG durch einseitige Erklärung des Arbeitgebers gekürzt werden.

2. Der Urlaubsabgeltungsanspruch einer zuletzt in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin kann auch noch durch eine nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegebene Erklärung des Arbeitgebers gem. § 17 Abs 1 Satz 1 BEEG gekürzt werden.

3. Die Kürzungserklärung des Arbeitgebers gem. § 17 Abs 1 Satz 1 BEEG wirkt ex tunc, d.h., rückbezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Urlaubsanspruchs. Sie hat zur Folge, dass der Urlaubs und damit auch der Urlaubsabgeltungsanspruch so zu behandeln ist, als sei er in Höhe der Kürzung nie entstanden.

4. Die vorliegend vertretene Auslegung von § 17 Abs 1 Satz 1 BEEG ist unionsrechtskonform. Sie verstößt weder gegen Art 5 Nr 2 der Richtlinie 2010/18/EU noch gegen Art 7 der Richtlinie 2003/88/EG.

 

Normenkette

EGRL 88/2003 Art. 7; EURL 18/2010 Art. 5 Nr. 2; BEEG §§ 17, 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-4

 

Verfahrensgang

ArbG Wilhelmshaven (Entscheidung vom 26.02.2014; Aktenzeichen 2 Ca 444/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 26. Februar 2014 - 2 Ca 444/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Kürzung eines Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruchs, den die Klägerin für Zeiträume ihrer Elternzeit erworben haben will.

Die Klägerin war vom 01.06.2009 bis zum 14.09.2013 bei dem Beklagten als Krankenschwester mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.850,00 € beschäftigt. In der Zeit von August 2010 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses befand sich die Klägerin in Elternzeit.

§ 5 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 11.05.2009 (Anlage K1, Bl. 9 - 11 d.A.) regelt, dass der Mitarbeiter kalenderjährlich einen Erholungsurlaub von 30 Werktagen erhält.

Vor Beginn der Elternzeit standen der Klägerin für das Kalenderjahr 2010 unstreitig 10 noch nicht gewährte Urlaubstage zu.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 14.11.2013 auf, ihre restlichen Urlaubsansprüche, insbesondere auch für die Dauer der Elternzeit, abzugelten. Mit Schreiben vom 28.11.2013 erklärte der seinerzeitige anwaltliche Bevollmächtigte des Beklagten den Anwälten der Klägerin:

"...

Dazu teile ich Ihnen mit, dass Herr C. - was die Urlaubsansprüche Ihrer Mandantin während der Elternzeit anbelangt - von seinem Kürzungsrecht gemäß § 17 (1) 1 BEEG Gebrauch gemacht hat und auch weiterhin Gebrauch macht. Folglich stehen Ihrer Mandantin für die Dauer der Elternzeit Urlaubsabgeltungsansprüche nicht zu.

..."

Bereits mit Lohnabrechnung vom 27.11.2013 (Bl. 32 d.A.) hatte der Beklagte Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.707,20 € brutto, bestehend aus zwei Einzelpositionen in Höhe von 938,96 € brutto und von 768,24 € brutto, abgerechnet und den sich ergebenden Nettobetrag von 1.646,52 € in zwei Teilzahlungen an die Klägerin geleistet.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von insgesamt 100 Tagen zu, nämlich von 10 noch offenen Urlaubstagen des Jahres 2010 sowie je 30 Tagen für die Jahre 2011, 2012 und 2013.

Die Klägerin hat ihren noch offenen Urlaubsabgeltungsanspruch wie folgt berechnet: 1.850,00 € x 3 Monate : 13 Wochen = 426,92 € Wochenlohn : 6 Werktage = täglich 71,15 € x 100 Urlaubstage = 7.115,35 € brutto. 7.115,35 € brutto abzüglich 1.707,20 € brutto ergibt einen Betrag von 5.408,15 € brutto.

Die Klägerin trägt zur Begründung vor, der Beklagte habe mit Schreiben vom 28.11.2013 keine Kürzung mehr vornehmen können. Da das Arbeitsverhältnis bereits am 14.09.2013 geendet habe, sei der Urlaubsanspruch der Klägerin mit diesem Zeitpunkt in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umgewandelt worden. Dieser Urlaubsabgeltungsanspruch sei in Folge der Aufgabe der Surrogatstheorie durch das Bundesarbeitsgericht nicht mehr als Surrogat des Urlaubsanspruches zu betrachten. Dies habe zur Folge, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch stets ein auf finanzielle Vergütung gerichteter reiner Geldanspruch sei, der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehe und nach § 271 BGB sofort fällig werde. Die Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG finde zwar auf den Urlaubs-, nicht jedoch auf den Urlaubsabgeltungsanspruch Anwendung, der - wie ausgeführt - ein reiner Geldanspruch sei, der mit dem Urlaubsanspruch als solchem nichts mehr zu tun habe. Vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Beklagte entgegen seinem schriftsätzlichen Vortrag von seinem Kürzungsrecht keinen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.408,15 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über de...

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