Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Geschäftsunfähigkeit des Arbeitnehmers beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

Da die Geschäftsfähigkeit einer natürlichen Person den gesetzlichen Regelfall bildet und Mängel der Geschäftsfähigkeit demgegenüber eine besondere Ausnahme darstellen, hat derjenige, der such auf das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahme berufen will, die hierfür maßgeblichen Tatsachen dazulegen und zu beweisen (Anschluss an BGH, Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 206/82 -, Rn. 16, [...]; BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07 -, Rn. 18, [...]).

Substantiiert dargelegt ist ein Ausschluss der freien Willensbestimmung nach allgemeinen Grundsätzen, wenn das Gericht auf der Grundlage des Klägervorbringens zu dem Ergebnis kommen muss, die Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB lägen vor (Anschluss an BGH, Beschluss vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16 -, Rn. 13, [...]).

Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (Anschluss an BAG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 -, Rn. 22, [...]).

Denn die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB sind nur erfüllt, wenn die Anfechtungserklärung zum Zweck und mit der Bestimmung des unverzüglichen Transports an den Anfechtungsgegner weggegeben wird, nicht dagegen, wenn die Anfechtung in einer Klageschrift erklärt wird, die erst durch das Gericht dem Anfechtungsgegner zugestellt werden muss (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 10. März 2010 - 6 C 15/09 -, Rn. 23, [...]).

Eine analoge Anwendung des § 167 ZPO, der die Wirkungen der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurückbezieht, kommt für die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB nicht in Betracht (Anschluss an BGH, Urteil vom 11. Oktober 1974 - V ZR 25/73 -, Rn. 15, [...], insoweit nicht aufgegeben durch BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 109/05 -, [...], siehe dort Rn. 26 aE).

 

Normenkette

BGB §§ 104-105, 123 Abs. 1, § 121 Abs. 1; ZPO § 167

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 27.03.2017; Aktenzeichen 5 Ca 8812/16)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 27. März 2017 - 5 Ca 8812/16 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Wirksamkeit eines zwischen ihnen abgeschlossenen und später vom Kläger angefochtenen Aufhebungsvertrags und daraus resultierend über den Lohnanspruch des Klägers für den Monat Dezember 2016 sowie über einen von den Beklagten vorgenommenen Lohnabzug für den Monat Oktober 2016.

Der Kläger war auf der Grundlage eines für die Zeit vom 01.10. bis zum 31.12.2016 befristeten Arbeitsvertrags als "Aushilfe in der Postversandstraße" bei den Beklagten eingestellt worden. In diesem Vertrag wurde zudem eine Kündigungsfrist von einem Tag vereinbart.

Am 25.10.2016 wurde der Kläger zunächst voraussichtlich bis zum 30.11.2016 krankgeschrieben. Am 18.11.2016 meldete sich Herr B , Mitarbeiter der Personalabteilung der Beklagten, telefonisch beim Kläger. Im Rahmen dieses Gespräches bat Herr B den Kläger, in den Betrieb zu kommen. Dieser Bitte kam der Kläger nach. Als Ergebnis des im Betrieb erfolgten Gespräches unterzeichnete der Kläger einen Aufhebungsvertrag vom 18.11.2016 (Anlage K 2, Bl. 8 f. GA). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen mit Ablauf des 30.11.2016 auf Veranlassung des Arbeitgebers einvernehmlich enden wird.

[...]

§ 5 sozialversicherungsrechtliche Hinweise

Der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass der Abschluss des Aufhebungsvertrags sozialversicherungsrechtliche Folgen haben kann, insbesondere beim Bezug von Arbeitslosengeld (Sperrzeit/Ruhen des Anspruchs). Abschließende rechtsverbindliche Auskünfte sind den jeweiligen Sozialversicherungsträgern vorbehalten (Bundesagentur für Arbeit u. a.).

[...]".

Am 07.12.2016 suchte der Kläger seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten zu einer Erstberatung auf. Dieser verfasste am 08.12.2016 die später eingereichte Klageschrift.

Mit seiner am 12.12.2016 bei dem Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage, die den Beklagten am 30.12.2016 zugestellt worden ist, erklärte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Anfechtung seiner "Zustimmung zum Aufhebungsvertrag jedenfalls wegen Irrtums, wenn nicht sogar auf Grund arglistiger Täuschung".

Mit Schreiben vom 13.12.2016 (Anlage K6, Bl. 47 GA) erklärte das Jobcenter K gegenüber dem Kläger unter anderem Folgendes:

"Nach meiner Kenntnis haben Sie Ihre Hilfebedürftigkeit möglicherweise vorsätzlich oder grob fahrlässig sowie ohne wichtigen Grund herbeigeführt.

Nach den mir vorliegenden Unterlagen haben Sie durch Ihr Verhalten die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach den Vorschriften des 3. Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) erfüllt, so dass Ihr Anspruch auf Arbeitslosenge...

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