Entscheidungsstichwort (Thema)

Insichbeurlaubung, Beamte, Deutsche Post AG, Mitbestimmungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Es besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Nr. 10 BetrVG bei der Festlegung von Auswahlkriterien für Insichbeurlaubungen von Beamten gemäß § 4 III PostPersRG, wenn der Arbeitgeber von diesem Personalinstrument Gebrauch macht, um – bei unveränderter Tätigkeit – „besonders leistungsstarke” Beamte befristet durch eine bessere Bezahlung zu belohnen.

 

Normenkette

PostPersRG § 4 III, § 24; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 10.05.2000; Aktenzeichen 4 BV 13/00)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 10.12.2002; Aktenzeichen 1 ABR 27/01)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird der am 10.05.2000 verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn – 4 BV 13/00 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 19.01.2000 rechtsunwirksam ist.

Es wird festgestellt, dass dem Gesamtbetriebsrat bei der Festlegung von Kriterien für die Auswahl von Beamtinnen und Beamten des einfachen Postdienstes zur Beurlaubung gemäß § 4 Abs. 3 PostPersRG für die Wahrnehmung von Aufgaben im mittleren in den Unternehmensbereichen Brief- und Frachtpost ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Auswahlkriterien für Insichbeurlaubungen von Beamten gemäß § 4 Abs. 3 des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren (Post PersRG) zusteht.

Die Arbeitgeberin ist im Zuge der Privatisierung der am 01.01.1995 aus dem Teilsondervermögen Deutsche hervorgegangen und hat die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (§§ 1 und 2 Postumwandlungsgesetz). Neben Arbeitern und Angestellten beschäftigt sie eine große Zahl von Beamten der früheren . Diese haben ihren Status als unmittelbare Bundesbeamte behalten (§ 2 Abs. 3 Post PersRG). Die Arbeitgeberin ist gemäß § 1 Abs. 1 Post PersRG ermächtigt, ihnen gegenüber die dem Bund als Dienstherren obliegenden Rechte und Pflichten wahrzunehmen. Für die Anwendung des BetrVG gelten diese Beamten als Arbeitnehmer; sie sind zum Betriebsrat wahlberechtigt und wählbar (§ 24 Abs. 2 Post PersRG). In bestimmten Angelegenheiten der Beamten sehen die §§ 28 und 29 Post PersRG Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf der Grundlage von Vorschriften des BPersVG vor, wobei jedoch nur die Vertreter der Beamten im Betriebsrat zur Beschlussfassung berufen sind.

Nach § 4 Abs. 3 Post PersRG besteht die Möglichkeit der sog. Insichbeurlaubung von Beamten zur Wahrnehmung einer Tätigkeit im Arbeitsverhältnis bei der Arbeitgeberin. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/6718, Seite 93) soll die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Post PersRG die personelle Beweglichkeit erhöhen, indem sie den Aktiengesellschaften ermöglicht, bei ihnen beschäftigte Beamte befristet zu beurlauben und zugleich mit ihnen Arbeitsverträge zu schließen, die nicht den Zwängen des öffentlichen Dienstrechts unterliegen. Die Insichbeurlaubung wird von der Arbeitgeberin als Instrument der Personalpolitik unter anderem bei Beamten eingesetzt, die dem einfachen Postdienst angehören, auf Arbeitsposten des mittleren Postdienstes eingesetzt sind, aus laufbahnrechtlichen Gründen aber nicht höher besoldet werden können. Die nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Post PersRG zeitlich zu beschränkende Insichbeurlaubung in Verbindung mit dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ermöglicht eine höhere Bezahlung unter Beibehaltung der bisherigen Tätigkeit. Nach den sozialrechtlichen Bestimmungen sind in sich beurlaubte Beamte von der gesetzlichen Sozialversicherung befreit.

Mit Schreiben vom 27.11.1998 (Blatt 22 bis 23 d. A.) teilte die Arbeitgeberin ihren Direktionen und Niederlassungen Brief- und Frachtpost bundesweit mit, dass mit der Beurlaubung nach § 4 Abs. 3 Post PersRG „besonders leistungsstarke” Beamtinnen/Beamte des einfachen Postdienstes ab der Besoldungsgruppe A 5 befristet im Angestelltenverhältnis (mit höherem Nettoverdienst) beschäftigt werden können. Daraufhin bewarben sich vierhundert Beamtinnen/Beamte, von denen die Arbeitgeberin etwa der Hälfte die Möglichkeit gab, über die Insichbeurlaubung und den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages besser bezahlt zu werden. Der Gesamtbetriebsrat, der ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geltend macht, ist nicht beteiligt worden.

In seiner Sitzung vom 26. bis 28.01.1999 beschloss der Gesamtbetriebsrat die Anrufung einer Einigungsstelle zur Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 BetrVG. Im Bestellungsverfahren nach § 98 ArbGG wurde eine Einigungsstelle installiert mit dem Regelungsgegenstand „Festlegung von Kriterien für die Auswahl von Beamtinnen und Beamten des einfachen Postdienstes in den Sparten Brief- und Frachtpost zur Beurlaubung gemäß § 4 Abs. 3 Post PersRG für die Wahrnehmung von Aufgaben im mittleren Postdienst und für die Dauer dieser Beurlaubung”. Durch Spruch vom 19.01.2000 (Blatt 15 bis 19 d. A.) erk...

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