Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung der Tätigkeitsbezeichnung im Zwischenzeugnis für einen Eingruppierungsrechtsstreit - Definition der Begriffe "Leiter" und "Verwalter"

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Eingruppierungsfeststellungsklagen hat der Arbeitnehmer diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, aus denen der rechtliche Schluß möglich ist, daß er die tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (BAG vom 24.10.1984, AP Nr. 97 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Frage, was vorzutragen ist, hängt von der besonderen Konstellation eines jeden Einzelfalles ab. Ebenso wie Arbeitsplatzbeschreibungen, die als Privaturkunden (§ 416 ZPO) zu Aufklärungszwecken von Amts wegen beigezogen, aber auch zu Zwecken des Urkundenbeweises in Eingruppierungsprozessen verwertet werden können (BAG vom 01.09.1982, AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT 1975), können in Eingruppierungsrechtsstreitigkeiten Tätigkeitsbeschreibungen und/oder Bewertungen aus Arbeitszeugnissen zu Beweiszwecken herangezogen werden.

2. Zu den notwendigen Grundelementen eines qualifizierten Zwischenzeugnisses zählt als Oberpunkt die "Aufgabenbeschreibung", die als Unterpunkte Darstellungen über

- Unternehmen/Branche,

- Hierarchische Position,

- Berufsbild/Berufsbezeichnung,

- Aufgabengebiet,

- Art der Tätigkeit,

- Berufliche Entwicklung

enthalten kann.

3. Die Art der Beschäftigung und die Beschreibung des Aufgabengebietes gehen meist ineinander über. Die Erläuterungen zum Aufgabengebiet im Zeugnis sind ein getreues Spiegelbild aller vom Zeugnisempfänger ausgeführten Tätigkeiten und Arbeiten. Die Berufsbezeichnung ist im Zeugnis stets zu erwähnen, genügt aber keineswegs als Ersatz für eine ausführliche Tätigkeitsbeschreibung. Hilfreich für die Darstellung ist die Übernahme aus der Stellenbeschreibung, sofern sie auf den neuesten Stand fortgeschrieben ist. Stellenbeschreibungen gehen bei mittleren und gehobenen Positionen in der Regel einer tariflichen Einstufung voraus. Sie spiegeln das Anforderungsprofil an den Arbeitsplatz und ggf. das Berufsbild wieder, so daß hieran gemessen werden kann, ob und in welchem Maße der Arbeitnehmer den Anforderungen gerecht geworden ist.

4. Verlangt der Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis und bescheinigt ein Arbeitgeber ihm darin, er habe ihn als "fleißigen, ehrlichen und gewissenhaften Mitarbeiter kennengelernt", so muß er sich hieran festhalten lassen. Es tritt eine gewisse Selbstbindung des Arbeitgebers ein, der deshalb den Arbeitnehmer weder auf Schadenersatz in Anspruch nehmen (BAG vom 08.02.1972, AP Nr. 7 zu § 630 BGB = EzA § 630 BGB Nr. 3) noch kurz nach dieser Beurteilung wegen des bekannten, aber im Zwischenzeugnis beschönigten Verhaltens dem Arbeitnehmer kündigen kann (LAG Bremen vom 22.11.1983, BB 1984, 473). Eine solche Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber das erteilte Zwischenzeugnis widerrufen kann (LAG Hamm vom 01.12.1994, LAGE § 630 BGB Nr. 25).

5. Diese Grundsätze der Selbstbindung lassen sich - zumindest was die Tätigkeitsbezeichnung im Zeugnis angeht - mit der Maßgabe auf Eingruppierungsrechtsstreitigkeiten übertragen, daß der Arbeitnehmer sich zunächst damit begnügen kann, zur Korrektur der Angaben aus dem Arbeitsvertrag, er sei als "Verkäufer" tätig, das Zwischenzeugnis vorzulegen, in welchem ihm vom Arbeitgeber bescheinigt wird, er sei "zunächst ¼ als kaufmännischer Mitarbeiter in der Warenannahme und später aufgrund seines hohen persönlichen Einsatzes und seiner guten Fachkenntnisse als Warenannahmeleiter eingesetzt" worden. Wenn der Arbeitgeber selbst zwischen (einfacher) Mitarbeit in der Warenannahme und "Leitung" der Warenannahme unterscheidet, kann er sich mit seinem Sachvortrag nicht darauf zurückziehen, ein Richtbeispiel des Eingruppierungsschemas sei im Zwischenzeugnis nicht benannt, und der Arbeitnehmer übe eine Tätigkeit aus, die lediglich erweiterte Fachkenntnisse und eine größere Verantwortung erfordere, so daß er zutreffend in die GGr. II GTV eingruppiert sei.

6. Ein "Leiter" ist jemand, der etwas leitet und der damit verantwortlicher Vorgesetzter ist. Ein "Verwalter" ist demgegenüber jemand, der etwas - z.B. ein Warenlager - verantwortlich führt und alle damit zusammenhängenden Angelegenheiten erledigt. Die Bezeichnung des Arbeitnehmers im Zwischenzeugnis als "Warenannahmeleiter" weicht vom Wortsinn und von der Wortbedeutung her nicht so weit von dem Richtbeispiel "Verwalter von Warenannahme" der GGr. III GTV ab, als daß man sagen könne, hier sei etwas völlig anderes gemeint. Es kann mit der gewählten Bezeichnung bestenfalls noch etwas Höheres, nämlich "Leiter der Warenannahmeabteilung" (GGr. IV GTV), nicht aber etwas Niedrigeres, "Erste Kraft in Warenannahme" (GGr. II GTV), gemeint sein.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Feststellung der zutreffenden Eingruppierung des Klägers.

Die Beklagte betreibt Baumärkte und Gartencenter im gesamten Bundesgebiet. In ihrer Filiale M.-Str. in H. sind 35 Arbeitnehmer beschäftigt...

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