Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabe der Surrogatstheorie. Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs. Entstehen des Abgeltungsanspruchs. Zeitpunkt der Erklärung des Arbeitgebers. Kürzung des Anspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1) § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, der dem Arbeitgeber die Kürzung des Erholungsurlaubs für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit gestattet, ist europarechtlich nicht zu beanstanden.

2) Die Erklärung über die Kürzung des während des Erziehungsurlaubs entstandenen Urlaubsanspruchs kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr abgegeben werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die völlige Aufgabe der Surrogatstheorie hat zur Folge, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nunmehr stets einen auf eine finanzielle Vergütung gerichteten reinen Geldanspruch darstellt. Dieser entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird sofort fällig. Der mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstandene und fällige Geldanspruch konnte durch die spätere Erklärung der Arbeitgeberin nicht mehr nachträglich gekürzt werden.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 18.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1729/12 L)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.05.2015; Aktenzeichen 9 AZR 725/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 18.12.2012 - 4 Ca 1729/12 L - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.234,50 € brutto nebst 5 % Zinsen seit dem 05.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 94 %, die Klägerin zu 6 %.

Die Revision wird insoweit zugelassen, als die Beklagte zur Abgeltung des Urlaubs für Zeiten des Erziehungsurlaubs verurteilt worden ist. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus den Jahren 2010 bis 2012.

Die Klägerin war vom 01.04.2007 bis zum 15.05.2012 bei der Beklagten zu einem Gehalt von monatlich 2.000,-- € brutto beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Ab dem 01.05.2010 bestand für sie nach Feststellung einer Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot. Am 21.12.2010 wurde ihr Sohn geboren. Nach Ablauf der Mutterschutzfristen befand sich die Klägerin bis zum15.05.2012 in Elternzeit.

Die Klägerin hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 36 Tagen berechnet auf eine Fünf-Tage-Woche. Im Jahre 2010 befand sie sich vom 02. bis 09.04. im Umfang von sechs Tagen in Urlaub, sodass ein Restanspruch von 30 Urlaubstagen verblieb. Mit Anwaltsschreiben vom 24.05.2012 machte die Klägerin die Abrechnung der Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis einschließlich 2012 und die Auszahlung des sich aus der Abrechnung ergebenden Betrages gegenüber der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 04.06.2012 geltend. Die gesetzte Frist hat die Beklagte fruchtlos verstreichen lassen. Mit einer am 04.09.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Abrechnung weiter und begehrte darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.507,50 € brutto nebst Zinsen. Hierbei geht sie von Resturlaubsansprüchen im Umfang von 30 Tagen für das Jahr 2010, von 36 Tagen für das Jahr 2011 und - nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - 13,5 Tagen für das Jahr 2012 aus. Die Urlaubsvergütung berechnet sie mit 91,-- € brutto.

Mit Schriftsatz vom 07.09.2012 hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und erklärt, dass der Erholungsurlaub, der der Klägerin für das Urlaubsjahr zustehe, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 gekürzt werde.

Durch Urteil vom 18.12.2012 hat das Arbeitsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Urlaubsansprüche erworben, die durch die Erklärung der Beklagten vom 07.09.2012 gemäß der Kürzungsbestimmung des § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG erloschen seien. Die Kürzungserklärung sei auch nicht verspätet, da sie nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt auszusprechen sei und eine Erklärungsfrist gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der Abgeltungsanspruch, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehe und geltend gemacht werden könne, könne erst danach durch eine entsprechende Erklärung gekürzt werden.

Gegen dieses der Klägerin am 02.01.2013 zugestellte Urteil hat diese am 07.01.2013 Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 02.04.2013 fristgerecht begründet.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Kürzung des ihr zustehenden Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mangels gesetzlicher Grundlage nicht mehr möglich sei.

Sie beantragt unter Berufungsrücknahme im Übrigen

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 18.12.2012 - 4 Ca 1729/12 L - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.234,50 € brutto nebst 5 % Zinsen seit dem 05.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.

Zum weiteren Sachvortrag...

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