Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksames Zustandekommen einer Namensliste – Sozialauswahl über einen Interessenausgleich mit Namensliste

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Interessenausgleich mit Namensliste eingereicht, so muß letztere ein äußeres Merkmal aufweisen, das sie als Bestandteil des Interessenausgleichs ausweist. Eine fehlende feste Verbindung einer mehrseitigen Namensliste mit dem Interessenausgleich mittels Heftmaschine führt dann nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 1 Abs. 5 KSchG a.F. [1996], wenn die einzelnen Seiten der Namensliste von den den Interessenausgleich unterzeichnenden Personen jeweils paraphiert worden sind und auch die Namensliste selbst von den Betriebspartnern unterzeichnet worden ist.

2. Auf die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG a.F. [1996] kann sich der Arbeitgeber zwar nicht berufen, „soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat”, jedoch müssen die wesentlichen Änderungen der Sachlage in der Zeit zwischen Abschluß des Interessenausgleich und Zugang der Kündigung eintreten, denn danach gelten die Grundsätze des Wiedereinstellungsanspruchs. Außerdem müssen verfahrene Überstunden oder erfolgte Neu- oder Wiedereinstellungen den Tätigkeitsbereich des entlassenen Arbeitnehmers betreffen.

3. Der Arbeitgeber kann die Herausnahme von Arbeitnehmern aus der Sozialauswahl mit deren besonderen, im Betrieb benötigten „Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen” begründen. Wie bei der Betriebsratsanhörung reichen für den Vortrag des Arbeitgebers aber pauschale, floskel-, schlag-, stichwort- oder überschriftsartige Bezeichnungen nicht zum Nachweis der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten aus. Die Unterschiede zwischen mehreren Arbeitnehmern sind im Rahmen der sozialen Auswahl demnach nur beachtlich, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • es werden überdurchschnittliche oder wesentliche spezielle Fähigkeiten oder Kenntnisse nachgewiesen und
  • diese werden im Kündigungszeitpunkt im Betrieb aktuell benötigt.

4. Ziel der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG a.F. [1996] ist es, die Anforderungsprofile der verbliebenen Arbeitsplätze und die Qualifikationsprofile der einzelnen Arbeitnehmer in Übereinstimmung zu bringen. Dabei werden die arbeitsplatzorientierten Anforderungen betrieblich als Anforderungsprofile vorgegeben und sind als unternehmerische Entscheidung insoweit gerichtlich nicht nachprüfbar. Die Feststellungen des Arbeitgebers bezüglich des Vorhandenseins personenorientierter Qualifikationen der einzelnen Arbeitnehmer, die die verbliebenen Arbeitsplätze ausfüllen sollen, sind jedoch voll nachprüfbar.

5. Beruft sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Nichteinbeziehung in die soziale Auswahl darauf, eine weiterbeschäftigte Arbeitnehmerin verfüge über die Fähigkeit zur Führung der Korrespondenz in Französisch und Englisch, so kann die entlassene Arbeitnehmerin nicht bloß auf schon viele Jahre zurückliegenden Volkshochschulkurse verweisen. Zwar steht die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit der Vergleichbarkeit nicht entgegen, jedoch ist die selbständige Führung der Korrespondenz in Englisch und Französisch nicht einmal in einem halben Jahr erlernbar, so daß von einer „alsbaldigen Substituierbarkeit” des Erwerbs aktueller Kenntnisse vorliegend keine Rede sein kann.

 

Normenkette

ArbGG § 46 Abs. 2; BetrVG § 111 S. 2, § 112a Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 Sätze 1, 4, Abs. 3 S. 3 Hs. 1; KSchG 1996 § 1 Abs. 5 Sätze 1-3; KSchG § 17 Abs. 1 S. 1; ZPO § 292 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 02.03.1999; Aktenzeichen 2 Ca 2146/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 02.03.1999 (2 Ca 2146/98) abgeändert.

Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.094,00 DM = 6.140,30 [khgr] festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Verkehrstechnik. Ihr Lieferprogramm umfaßt Lauf- und Triebradsätze und Radsatzkomponenten aller Art für den schienengebundenen Nah- und Fernverkehr. Sie beschäftigte im Jahre 1998 ca. 850 Arbeitnehmer und hat heute noch ca. 650 Arbeitnehmer.

Bei ihr war die am 10.03.1950 geborene Klägerin, welche verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, seit dem 24.11.1980 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Ihr monatliches Gehalt belief sich zuletzt auf 2.418,80 DM.

Am 20.08.1998 vereinbarte die Geschäftsleitung der Beklagten mit dem von der Belegschaft gewählten Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan”, die von dem Geschäftsführer Dr. B……………und dem Betriebsratsvorsitzenden auf jeder Seite paraphiert und am Ende von diesen beiden Personen sowie von dem Geschäftsführer Dr. H……………und dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden M…… und dem Vertrauensmann der Schwerbeh...

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