Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtbetriebsvereinbarung. Verhältnis zwischen Gesamtbetriebsvereinbarung und örtlicher Betriebsvereinbarung. Ablösungsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verhältnis zwischen Gesamtbetriebsvereinbarung und örtlicher Betriebsvereinbarung (hier: Sozialplan) gilt unter der Voraussetzung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ebenfalls das Ablösungsprinzip.

2. Das hat jedenfalls dann zu gelten, wenn nach Stellung des Insolvenzantrags im Rahmen eines Sanierungskonzepts die Fortführung des ganzen Unternehmens auf dem Spiel steht und das Konzept von den Kreditgebern nur akzeptiert wird, wenn u. a. per Gesamtbetriebsvereinbarung die Kosten (Senkung) kalkulierbar sind/ist.

3. Für eine Beteiligung des örtlichen Betriebsrats, der die Fortdauer eines älteren günstigeren Sozialplans für die von ihm vertretenen Arbeitnehmer in Anspruch nimmt, besteht keine Beteiligungsmöglichkeit im Rahmen der Verhandlungen über die Gesamtbetriebsvereinbarung, die Bestandteil des Sanierungsplans ist.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 06.09.2000; Aktenzeichen 19 Ca 248/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.12.2001; Aktenzeichen 1 AZR 185/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. September 2000 – 19 Ca 248/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger zustehenden Abfindung, insbesondere darüber, ob ein früherer örtlicher Sozialplan durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat wirksam abgelöst werden konnte.

Der Kläger war im Zeitraum von Mitte 1994 bis zum 26. März 2000 bei der Hamburger Niederlassung der Beklagten im Bereich Hochbau als Zimmerer gegen einen Tariflohn von zuletzt DM 26,48 brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung nach Schließung des Bereichs Hochbau am Standort Hamburg.

Die Beklagte zahlte dem Kläger eine Abfindung in Höhe von DM 8.675,– gemäß Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10. Januar 2000, auf die Bezug genommen wird (Bl. 38 ff d. A.).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger (unter Anrechnung der erfolgten Zahlung) die Abfindung von DM 28.880,–. Diese würde ihm zustehen, wenn der vom örtlichen Betriebsrat am 25. Juni 1998 abgeschlossene Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 28 ff d. A.) weitergelten würde.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Sozialplan vom 25. Juni 1998 sei nicht durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10. Januar 2000 abgelöst worden. Der GBR sei nicht zuständig gewesen. Im übrigen habe es für die außerordentliche Kündigung des Sozialplans vom 25. Juni 1998 an einem wichtigen Grund gefehlt. Zudem sei die Geschäftsgrundlage dieses Sozialplans nicht infolge einer wirtschaftlichen Notlage fortgefallen. Zweck beider Sozialplanregelungen sei die Unternehmenssanierung gewesen, wenn man auch auf Beklagtenseite 1998 die Verbindlichkeiten noch nicht habe beziffern können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 20.205,– nebst gesetzlicher Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB seit dem 19. Juni 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, der Hamburger Sozialplan von 1998, durch den man seinerzeit nur auf die örtlichen Auftragseinbrüche reagiert habe, sei durch die Vereinbarung vom 10. Januar 2000 abgelöst worden. Die Unternehmenssanierung im Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag vom November 1999 habe zu einer völlig veränderten Situation geführt. Im Jahre 1998 habe niemand an diesen Fall gedacht. Erhaltung des Standorts Hamburg im Jahre 1998 und Abwendung der Schließung des gesamten Unternehmens im Jahre 2000 seien nicht vergleichbar. Deshalb sei die Geschäftsgrundlage für den Sozialplan vom 25. Juni 1998 entfallen. Jedenfalls aber sei die vorsorglich ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Sozialplans vom 25. Juni 1998 rechtswirksam.

Zu dieser Kündigung ist unstreitig, daß dieser Sozialplan durch ein an den Hamburger Betriebsratsvorsitzenden gerichtetes Schreiben der Direktion Nord vom 12. Januar 2000 vorsorglich mit folgender Begründung gekündigt wurde (Bl. 57 d. A.):

„Kündigung des Interessenausgleichs und Sozialplans (nebst Protokollnotiz) vom 25.06.1998

(…)

wie Ihnen seit Mitte November 1999 bekannt ist, befindet sich die … in einer existenzbedrohenden, wirtschaftlichen Krise. Nur aufgrund der dank der Vermittlung von Herrn Bundeskanzler … zustande gekommenen grundsätzlichen Einigung mit den Gläubigerbanken konnte der bereits gestellte Insolvenzantrag zurückgenommen werden.

Seit Abschluß des o.g. Interessenausgleichs und Sozialplans (nebst Protokollnotiz) vom 25.06.1998 hat sich somit die Situation bei der … in grundlegender und nachhaltiger Weise geändert. Folge dieser Veränderung ist eine vollkommen neue Flächen- und Organisationsstruktur bei …, die aufgrund eines Beschlusses des Vorstands der kurzfristig umgesetzt werden soll und die Gegenstand des mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Interessen...

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