Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütungspflichtige Fahrzeiten nach dem Bundesmontagetarifvertrag. Unbegründete Vergütungsklage eines Aufzugsmonteurs wegen Fahrtzeiten vom Wohnort zur ersten und von der letzten Wartungsanlage zurück zur Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fahrzeiten von Montagearbeitern von ihrem Wohnort zur Montageeinsatzstelle können vergütungspflichtig sein.

2. Durch Tarifvertrag kann geregelt werden, ob Fahrzeiten zur vergütungspflichtigen tariflichen Arbeitszeit gehören.

3. Die Auslegung des Bundesmontagetarifvertrags ergibt, dass Fahrzeiten im Rahmen der Nahmontage zur (ersten) Montageanlage und zurück von der letzten Montagestelle nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählen, jedenfalls nicht mit dem tariflichen Entgelt zu vergüten sind. Hier besteht ausschließlich ein Anspruch auf Nahauslösung nach § 5 BMTV, der Entgeltcharakter zukommt.

 

Normenkette

BMTV §§ 5-6; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 08.02.2017; Aktenzeichen 27 Ca 277/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.04.2018; Aktenzeichen 5 AZR 424/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 8. Februar 2017 (27 Ca 277/16) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Fahrzeiten des Klägers von seinem Wohnsitz zum ersten Kunden (zu wartende Aufzugsanlagen) bzw. vom letzten Kunden zu seinem Wohnsitz als Arbeitszeit zu vergüten.

Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen. Sie unterhält bundesweit insgesamt 39 Niederlassungen, an denen sie ca. 2.400 Mitarbeiter überwiegend für Montagetätigkeiten im Außendienst beschäftigt.

Der Kläger ist seit dem 04. Januar 1988 bei der Beklagten am Standort Hamburg als Aufzugs-/Inspektionsmonteur zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von € 4.376,00 bei einer regelmäßigen tariflichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden tätig. Der Schwerpunkt seiner Arbeitstätigkeit betrifft die Wartung, Montage und Reparatur u.a. von Aufzugsanlagen. Hierfür stellt die Beklagte dem Kläger ein Kraftfahrzeug mit den entsprechenden Werkzeugen, Ersatzteilen etc. zur Verfügung, das nach Vereinbarung auch privat genutzt werden kann. Der Kläger ist zudem Betriebsratsmitglied und nimmt entsprechende Aufgaben wahr.

Jeder Monteur der Niederlassung Hamburg betreut ca. 50-80 Anlagen, sog. "Routen", von denen monatlich etwa 20-25 zu warten sind. Dabei weist die Beklagte ihren Monteuren die im jeweiligen Monat im Rahmen von Wartungsarbeiten zu betreuenden Aufzugsanlagen auf der Grundlage sog. Sammelaufträge zu. Der Kläger kann vorbehaltlich etwaiger Not- und Störfälle (in denen er angewiesen ist, unter Zurückstellung der von ihm geplanten Kundenbesuche an bestimmten Anlagen tätig zu werden) die täglichen Fahrstrecken im Wesentlichen frei einteilen, d.h. selbst festlegen, in welcher Reihenfolge er im Laufe des Tages welche Kunden bzw. Aufzugsanlagen aufsucht.

Die Anfahrten des Klägers zum ersten Kunden und die Rückfahrten vom letzten Kunden werden von der Beklagten nicht als Arbeitszeit vergütet. Die Beklagte zahlt unter den entsprechenden Voraussetzungen lediglich eine Nahauslösung nach Maßgabe des Bundestarifvertrags für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie ("BMTV"), der arbeitsvertraglich einbezogen ist (Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vom 04.01.1988, Anlage B 8, Bl. 132 d.A.). Entsprechend wurde an den Kläger z.B. im Zeitraum von Dezember 2015 bis April 2016 ein Betrag in Höhe von € 1.742,35 gezahlt (vgl. Anlage B 15 bis B19, Bl. 153 ff. d.A.).

Der BMTV (Anl. B 11, Bl. 139 ff d.A.) differenziert zwischen Nah- und Fernmontage. Nahmontage ist gegeben, wenn die tägliche Rückkehr zum Ausgangspunkt (z.B. die Wohnung des Montagestammarbeiters, § 4.4.1 BMTV) zumutbar ist (§ 4.1 BMTV). Das ist der Fall, wenn die Entfernung vom Ausgangspunkt zur Montagestelle 80 km nicht übersteigt (§ 4.1.2 BMTV). Fernmontage liegt vor, wenn ein auswärtiges Übernachten erforderlich ist. Gemäß § 4.5 wird grundsätzlich Fahrgeld erstattet. Zudem sieht der BMTV für die Nahmontage für Montagestammarbeiter u.a. folgende Regelungen vor:

"5.1 Nahauslösung

Die Nahauslösung ist eine Pauschalerstattung, die den arbeitstäglichen Mehraufwand bei auswärtigen Montagearbeiten im Nahbereich abdecken soll. Eine Vergütung für den Zeitaufwand der Hin- und Rückreise erfolgt nicht.

Montagestelle ist die Stelle, von der aus der Beginn der Arbeitszeit berechnet wird und die Bezahlung der Arbeitszeit beginnt.

...

5.2 Die Nahauslösung wird gestaffelt nach der Entfernung zwischen Ausgangspunkt und Montagestelle festgelegt.

5.2.1 Zur Ermittlung der Nahauslösung ist die gemäß § 4.3 zu berechnende Entfernung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie außerhalb der Arbeitszeit des Montagestammarbeiters zurückgelegt wird. Dabei sind der maßgebliche Hin- und Rückweg zu addieren und durch zwei zu teilen. ...

5.2....

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