Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsauslegung. Günstigkeitsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Ein zweiter koordinierter Konzertmeister, der nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, 80% der Tuttidienste zu leisten, ist nicht verpflichtet, eine Arbeitsleistung im Umfang von 80% der tariflichen zulässigen Tuttidienste zu leisten, sondern hat nur 80% der durchschnittlich erbrachten Tuttidienste zuerbringen.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Teilurteil vom 25.06.2001; Aktenzeichen 27 Ca 119/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juni 2001 (27 Ca 119/01) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt mit der Klage, soweit über sie zu entscheiden ist, die Feststellung, dass er nur verpflichtet ist, 80 % der tatsächlich von den Tuttisten erbrachten Dienste zu leisten.

Der 36 Jahre alte, verheiratete und drei Kindern zu Unterhalt verpflichtete Kläger ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14. Dezember 1990 seit dem 1. Januar 1991 bei der Beklagten in deren Philharmonischen Staatsorchester als 2. koordinierter Konzertmeister mit einer Vergütung von derzeit etwa DM 12.500,– brutto monatlich tätig. Das Entgelt des Klägers macht 150 % der Grundvergütung eines Tuttisten aus.

Der schriftliche Arbeitsvertrag lautet unter anderem wie folgt:

㤠1

Herr … wird – soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist – nach Maßgabe des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen ab 1.1.1991 auf unbestimmte Zeit als

2. koordinierter Konzertmeister

beim Philharmonischen Staatsorchester eingestellt.

§ 5

Herr … verpflichtet, je Spielzeit 80 vom Hundert der Tuttidienste der … zu leisten.”

Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klagschrift (Bl. 7 f d.A.) verwiesen. Der Kläger spielt Violine.

In § 15 TVK ist unter anderem geregelt:

„(1) Dienst ist die Mitwirkung des Musikers in Aufführungen und Proben.

(2) Die Anzahl der Dienste des Musikers bestimmt sich nach der Größe und den Aufgaben des Kulturorchesters. Der Musiker ist verpflichtet, im Durchschnitt von acht Kalenderwochen bzw. bei Konzertorchestern von 16 Kalenderwochen – nachfolgend Ausgleichszeitraum genannt – wöchentlich höchstens acht Dienste zu leisten. Enthält ein Ausgleichszeitraum zahlenmäßig überwiegend Aufführungen von Werken, die nach der Partitur als schwierig zu beurteilen sind, hat der Musiker in diesem Ausgleichszeitraum im Durchschnitt wöchentlich höchstens sieben Dienste zu leisten.

Die Ausgleichszeiträume sind aufeinanderfolgende Zeiträume. Der erste Ausgleichszeitraum beginnt mit einem Montag nach dem Ende der Theater bzw. Konzertferien. An den dem letzten Ausgleichszeitraum nachfolgenden Tagen werden die Dienste anteilig berechnet.”

Bevor der Kläger den schriftlichen Arbeitsvertrag unterzeichnete, erkundigte er sich bei dem bereits tätigen 2. koordinierten Konzertmeister, Herrn … nach der § 5 des Arbeitsvertrages zugrunde liegenden Berechnungsmethode. Herr … teilte ihm mit, dass auf die von den ersten Violinen tatsächlich geleisteten Tuttidienste abgestellt werde. Entsprechend wurde die Dienstverpflichtung des Klägers in der Folgezeit nach 80 % der Tuttidienste der ersten Violinen berechnet. Etwaige Überdienste wurden von der Beklagten in der nächsten Spielzeit ausgeglichen.

Nach einem Schreiben der Beklagten vom 4. April 1990, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage B 4 zur Berufungsbegründung (Bl. 145 d.A.) verwiesen wird, sollte der Text des § 15 TVK mangels eines Einvernehmens mit dem Orchestervorstand über Arbeitszeitfragen weiter tarifrechtliche Gültigkeit haben. In einem Schreiben des Intendanten des Orchesters vom 27. Dezember 1994, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 31. Mai 2001 (Bl. 100 d.A.) verwiesen wird, vertrat dieser anlässlich einer beabsichtigten Abmahnung die Auffassung, dass sich das Dienstsoll des Klägers vertraglich nach dem Durchschnittsdienst der Gruppe der ersten Geigen abzüglich einer Diensterleichterung von 20 % bemesse.

Die Beklagte setzte mit einem Schreiben aus dem Oktober 1999 für die Spielzeit 1999/2000 die Dienstverpflichtung nach § 15 TVK auf 7,5 Dienste fest und kündigte an, die Diensterleichterungen vom Dienst-Soll und nicht mehr vom Durchschnitt der Gruppe vorzunehmen, wobei die Diensterleichterungsberechtigten weiterhin im Höchstfalle nur die Durchschnittsdienste der Gruppe zu leisten hätten. Mit Schreiben vom 29. Juni 2000, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 2 zur Klagschrift (Bl. 9 ff d.A.) verwiesen wird, teilte die Beklagte dem Kläger unter anderem mit, dass die Diensterleichterung nicht mehr vom Durchschnitt der Gruppe vorgenommen werde, sondern vom tarifvertraglichen Dienstsoll.

Der Kläger machte gegenüber der Beklagten mehrfach, zuerst mit einem am 28. Juni 2000 bei der ...

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