Entscheidungsstichwort (Thema)

ablösende Gesamtbetriebsvereinbarung. Grundsatz der Ablösung gilt auch im Verhältnis von Bertriebsvereinbarung und Gesamtbetriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

– Eine Betriebsvereinbarung über Kontoführungsgebühren kann bei gleichem Regelungsgegenstand durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung aufgehoben werden.

– Das gilt jedenfalls dann, wenn der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 Satz BetrVG zuständig ist, weil zur Abwehr einer Insolvenz ein unternehmenseinheitliches Sanierungskonzept zeitnah erarbeitet und umgesetzt werden muß.

 

Normenkette

BetrVG § 50 I

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Beschluss vom 17.05.2000; Aktenzeichen 19 BV 4/00)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Mai 2000 – 19 BV 4/00 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten über den Fortbestand einer Betriebsvereinbarung, durch die der Arbeitgeber zur Zahlung von Kontoführungsgebühren verpflichtet wurde.

I. Der Beteiligte zu 1) ist der für den Hamburger Betrieb der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat.

Durch Spruch der Einigungsstelle kam am 23. September 1992 eine Betriebsvereinbarung zustande, gemäß der jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer aufgrund der bargeldlosen Auszahlung des monatlichen Entgelts Anspruch auf Zahlung von DM 4,50 monatlich zum Ausgleich von Kontoführungsgebühren, aufgewandter Zeit und Fahrtkosten zum Aufsuchen des Geldinstituts hat (Bl. 4 d. A.). Die Anfechtung dieses Spruchs blieb auch in der Beschwerdeinstanz erfolglos.

Am 7. Januar 1994 vereinbarte der Gesamtbetriebsrat mit der Beteiligten zu 2) eine Betriebsvereinbarung, die ebenfalls eine Ausgleichszahlung von DM 4,50 monatlich wegen der durch den bargeldlosen Zahlungsverkehr zusätzlich entstehenden Kosten vorsah (Bl. 37 d. A.).

Im Jahr 1998 kündigte die Beteiligte zu 2) pauschal alle Betriebsvereinbarungen. Am 26. Januar 2000 schlossen die Beteiligte zu 2) und der Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung dahingehend, dass der Ausgleich von DM 4,50 für Kontoführungsgebühren ab 1. Februar 2000 unternehmensweit ersatzlos entfällt (Bl. 88–89 d. A.).

Der Beteiligte zu 1) ist der Meinung, dass die Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992 für den Hamburger Betrieb weiterhin wirksam ist.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) weiterhin verpflichtet ist, monatlich DM 4,50 brutto Kontoführungsgebühren gemäß Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992 an die Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu zahlen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, der Antrag sei aufgrund mangelnder Antragsbefugnis bereits unzulässig, da er die Geltendmachung von rein individualrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer betreffe.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 17. Mai 2000 den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Dabei hat es sich die Argumentation des Arbeitgebers zu eigen gemacht. Auf die Beschlussgründe wird ergänzend Bezug genommen. (Bl. 55–57 d.A.).

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) sein Feststellungsbegehren – prozessual erweitert um einen Hilfsantrag – weiter.

Er ist der Auffassung, dass der Fall der Nachwirkung auch dann eingetreten sei, wenn die pauschale Kündigung aller Betriebsvereinbarungen auch die Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992 mitumfasste.

Auf die Beschwerdebegründung wird verwiesen (Bl. 72–73 d. A.). Der Beteiligte zu 1) beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. Mai 2000 – 19 BV 4/00 – festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) weiterhin verpflichtet ist, monatlich DM 4,50 brutto Kontoführungsgebühren gemäß Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992 an die Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu zahlen.

hilfsweise,

festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung über Kontoführungsgebühren vom 23. September 1992 weiterhin auch im Rahmen einer Nachwirkung rechtlichen Bestand hat.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Sie trägt dazu vor, eine Nachwirkung, auch der Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992, entfalle aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 16. Januar 2000. Für diese sei der Gesamtbetriebsrat auch zuständig gewesen, weil aufgrund des drohenden Insolvenzverfahrens ein unternehmensweit übergreifendes Sanierungskonzept habe geschaffen werden müssen, von dem alle Standorte und Betriebe erfasst worden seien. Bereits in den Bankenkonferenzen sei man von einer einheitlichen Verhandlung über die Regelungsgegenstände Treueprämie, Jubiläumsgabe und Kontoführungsgebühren ausgegangen, so daß man dem Gesamtbetriebsrat dementsprechend auch ein Gesamtkonzept vorgestellt habe.

Auch wenn die Kündigung aller Betriebsvereinbarungen im Jahr 1998 nicht die Betriebsvereinbarung vom 23. September 1992 mitumfasst haben würd...

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