Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung;. Ablösung durch Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Ablösung einer betrieblichen Übung durch nachfolgende Betriebsvereinbarung (eingelegt: 1 AZR 477/01)

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 14.02.2001; Aktenzeichen 5 Ca 3735/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.2002; Aktenzeichen 1 AZR 477/01)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31.01.2001 – 5 Ca 3735/00 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 7.200,– DM festgesetzt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Auswirkungen einer Betriebsvereinbarung, mit der dem Kläger und weiteren davon betroffenen Arbeitnehmern bis dahin gewährte Fahrtkostenvergünstigungen nicht mehr gewährt werden.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs mit rund 2.350 Arbeitnehmern. Der zur Zeit 50-jährige Kläger, geboren am 21.03.1951, ist dort seit dem 01.04.1973 als Straßenbahnfahrer zu einem Monatsentgelt in Höhe von zuletzt rund 4.500,– DM brutto beschäftigt. Er hatte ab Beginn seines Arbeitsverhältnisses, wie seinerzeit auch andere vergleichbare Arbeitnehmer, die Möglichkeit, von der Beklagten zur Verfügung gestellte Personalwagen für den Weg zur und von der Arbeitsstelle zu benutzen. Die Möglichkeit bestand jeweils in den Fällen, in denen aufgrund der Dienstzeit (Frühdienst ab 3:30 Uhr und Spätdienst nach 24:00 Uhr) die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich war.

Gemäß einer ab dem 30.09.1979 geltenden Betriebsvereinbarung (V 2024/215) erfolgte der Einsatz der Personalwagen nur noch auf bestimmten Strecken. Nicht in der Nähe dieser Strecken wohnende Mitarbeiter des Früh- oder Spätdienstes hatten die Möglichkeit, ein Taxi zu nutzen. Die Kosten hierfür trug die Beklagte. Mit Betriebsvereinbarung vom 22.12.1999 wurde die vorgenannte Betriebsvereinbarung zum 31.03.2000, nach Angaben der Beklagten wegen notwendiger Sparmaßnahmen, ersatzlos aufgehoben. Die dem Kläger ab dem 01.04.2000 entstandenen Fahrtkosten erstattet die Beklagte seitdem nicht mehr.

Nach vergeblicher Zahlungsaufforderung hat der Kläger mit der am 17.10.2000 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage geltend gemacht, ihm sei aufgrund betrieblicher Übung ein einzelvertraglicher Anspruch auf Erstattung dieser Kosten entstanden, der durch die Betriebsvereinbarung und deren Aufhebung zum 31.03.2000 nicht entfallen sei.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auf Kosten der Beklagten den Weg von und zur Arbeit (Betriebshof) außerhalb der Fahrtzeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln zu ermöglichen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei nicht gegeben, da die Fahrtkostenerstattung aufgrund einer freiwilligen Betriebsvereinbarung erfolgt sei. Diese sei mit dem 31.03.2000 entfallen.

Das Arbeitsgericht Essen hat der Klage insoweit mit Urteil vom 31.01.2001 – 5 Ca 3735/00 – stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden Berufung, die sie zu den im Sitzungsprotokoll vom 19.06.2001 genannten Zeitpunkten eingelegt und begründet hat und mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt. Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass eine betriebliche Übung von vornherein nicht entstanden sei. Demgegenüber bejaht der Kläger eine betriebliche Übung und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Auf das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen, ebenso wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf den übrigen Akteninhalt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist – jedenfalls unter Berücksichtigung der bisher gängigen Rechtsprechung zu dieser Thematik – gegeben.

1. Auch das Berufungsgericht bejaht hier die Entstehung des Anspruchs für den Kläger aus einer betrieblichen Übung, wie diese in ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. BAG v. 16.04.1997 – 10 AZR 705/96 – AP Nr. 53 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 1 a der Gründe) definiert wird. Aus der bereits bei Beginn seines Arbeitsverhältnisses im April 1973 bestehenden und auch in den Folgejahren fortgesetzten Übung, den betreffenden Arbeitnehmern des Früh- und Spätdienstes in den näher genannten Fällen kostenlose Fahrgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, durfte der Kläger den Schluss ziehen, diese Leistung solle ihm auch künftig gewährt werden. Aus diesem als Willenserklärung zu wertenden und vom Kläger zumindest stillschweigend angenommenen Verhalten der Beklagten ist dem Kläger ein vertraglicher Anspruch auf diese üblich gewordene Leistung erwachsen.

2. Dies ist hier auch nicht wegen der Zugehörigkeit der Beklagten zum öffentlichen Dienst anders zu beurteilen. Zwar muss ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes grundsätzlich da...

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