Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - regelmäßige Arbeitszeit - Berücksichtigung von Überstunden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erbringt ein Arbeitnehmer über einen Zeitraum von mehreren Monaten Arbeitsleistungen in einem zeitlichen Umfang, der über die tarifliche Wochenarbeitszeit hinausgeht, so kann es sich bei der tatsächlich angefallenen Arbeitszeit um die für ihn maßgebende regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs 1 EFZG (juris: EntgFG) handeln.

2. Dies gilt dann nicht, wenn die Mehrarbeit unter besonderen Umständen projektbezogen veranlaßt worden ist und vom Betriebsrat als Überstunden genehmigt worden war.

 

Orientierungssatz

Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 5 AZR 457/00.

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2001; Aktenzeichen 5 AZR 457/00)

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 02.12.1999 - 5 Ca 2651/99 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung des Klägers von ihm geleistete "Mehrarbeit" zu berücksichtigen ist.

Der am 22.03.1961 geborene Kläger ist seit dem 05.10.1994 bei der Beklagten als Vorarbeiter beschäftigt. Sein Bruttostundenlohn beträgt derzeit DM 26,39.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden unter anderem die Bestimmungen des Bundesrahmentarifvertrages für das Bauhauptgewerbe vom 03.02.1981 in der Fassung vom 09.06.1997 (BRTV-Bau) Anwendung. Die für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Bestimmungen des Tarifvertrages lauten:

Arbeitszeit

1.1

Durchschnittliche Wochenarbeitszeit

Die durchschnittliche

regelmäßige

Wochenarbeitszeit im Kalenderjahr beträgt 39

Stunden.

§ 4

Arbeitsversäumnis und

Arbeitsausfall, Entgeltfortzahlung im

Krankheitsfall

2. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Wird ein Arbeitnehmer

durch Arbeitsunfähigkeit

infolge Krankheit an seiner

Arbeitsleistung

verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden

trifft,

so hat er unter den gesetzlichen Voraussetzungen

Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

für die ersten

drei krankheitsbedingten

Ausfalltage eines Krankheitsfalles in

Höhe von 80

% und für die restliche Zeit der

Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen

in Höhe von

100 % des ihm bei der für ihn

maßgebenden regelmäßigen

Arbeitszeit zustehenden

Arbeitsentgelt.

Der Kläger war in der Zeit vom 07.06. bis zum 18.06.1999 arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte gewährte ihm für den vorgenannten Zeitraum Entgeltfortzahlung auf der Basis einer 39-Stunden-Woche. Unter dem 10.08.1999 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung weiterer DM 1.081,99 brutto auf und bezog sich hierbei auf eine in Ansatz zu bringende Wochenstundenzahl von 60,5 Stunden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 17.08.1999 ab.

Mit seiner am 01.09.1999 beim Arbeitsgericht Wesel anhängig gemachten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, dass seine regelmäßige Arbeitszeit vor der Arbeitsunfähigkeit im Durchschnitt 60,5 Stunden pro Woche betragen hätte und demgemäß als Grundlage der Entgeltfortzahlung heranzuziehen wäre. § 4 Abs. 1 a EFZG stehe dem nicht entgegen, weil mit dieser Regelung nur zusätzliche Überstundenzuschläge der Berücksichtigung bei der Entgeltfortzahlung entzogen wären.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.081,99 DM brutto nebst 4

% Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem

13.09.1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1.2 BRTV-Bau in der Sommerzeit 8 Stunden = 40 Stunden in der Woche betrage, in der Winterzeit wöchentlich 37,5 Stunden. Hieraus folge eine für den Kläger maßgebliche wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden, die bei der Entgeltfortzahlung in Ansatz zu bringen sei.

Es sei zwar richtig, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum Mehrarbeit geleistet hätte. Diese Mehrarbeit sei indessen als Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1 a EFZG zu klassifizieren, zumal sie ausdrücklich mit dem Betriebsrat abgestimmt worden wäre. Sie sei deshalb angefallen und vom Betriebsrat auch abgesegnet worden, weil die Beklagte im Rahmen des Baus der neuen ICE-Strecke Köln/Frankfurt tätig geworden sei und durch die Überstunden erreicht würde, dass die Verkehrsstörungen und -behinderungen während der Bauphase möglichst gering gehalten werden könnten.

Mit Urteil vom 02.12.1999 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Wesel

- 5 Ca 2651/99 - die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die vom Kläger zugrunde gelegte Arbeitszeit sei, soweit sie über 39 Stunden pro Woche hinausgehe, nicht als regelmäßige Arbeitszeit im Sinne des § 4 Abs. 1 EFZG zu charakterisieren. Es handele sich vielmehr um Überstunden im Sinne des § 4 Abs. 1 a EFZG, der sich im Übrigen nicht nur auf Überstundenzuschläge beziehe und insgesamt eine Berücksichtigung der Mehrarbei...

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