Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 06.08.1997; Aktenzeichen 6 Ca 1150/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.06.1999; Aktenzeichen 4 AZR 191/98)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.08.1997 – 6 Ca 1150/97 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im zweiten Rechtszuge streiten die Parteien nur noch darüber, ob der Beklagte als Konkursverwalter über das Vermögen der K. GmbH & Co. KG berechtigt war, auf der Grundlage von § 113 InsO das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende kündigen zu dürfen, obwohl der einschlägige Tarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie für Arbeitnehmer nach Vollendung des 45. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres vorsieht.

Die Klägerin war im Jahre 1974 als Näherin in die Dienste der Gemeinschuldnerin, die sich mit der Herstellung von Hosen befaßte, getreten. Sie ist 53 Jahre alt und verheiratet. Der monatliche Bruttolohn der Klägerin belief sich zuletzt auf 3.370,– DM.

Mit Schreiben vom 27.03.1997 kündigte die spätere Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31.10.1997. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach – 1 Ca 927/97 – Kündigungsschutzklage erhoben.

Am 01.05.1997 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der im Handelsregister des Amtsgerichts Mönchengladbach unter HR A 8252 eingetragenen K. GmbH & Co. KG eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Unter dem 09.05.1997 kündigte nunmehr der Beklagte unter Berufung auf die Frist des § 113 InsO das Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin zum 31.08.1997. Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit galten zwischen den Arbeitsvertragsparteien die Regelungen des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie (MTV). Mit Wirkung vom 01.05.1997 ist die Gemeinschuldnerin aus dem zuständigen Arbeitgeberverband ausgeschieden. § 22 des MTV bestimmt u. a.:

„2. Kündigt der Arbeitgeber, so beträgt die Kündigungsfrist:

  1. nach Vollendung des 30. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren einen Monat zum Monatsende,
  2. nach Vollendung des 35. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren zwei Monate zum Monatsende,
  3. nach Vollendung des 45. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren drei Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.”

Mit einer bei dem Arbeitsgericht Mönchengladbach am 21.05.1997 anhängig gemachten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, der Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung die im MTV geregelte Kündigungsfrist unter Berücksichtigung ihres Lebens- und Dienstalters berücksichtigen müssen, so daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 09.05.1997 nicht bereits zum 31.08.1997, sondern erst zum 30.09.1997 aufgelöst worden sei.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 09.05.1997 nicht aufgelöst werden wird und ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Kündigung unter Berücksichtigung des ab 01.10.1996 in Kraft getretenen § 113 InsO verteidigt.

Durch Urteil vom 06.08.1997 hat die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Mönchengladbach – 6 Ca 1150/97 – die Klage abgewiesen und den Wert des Streitgegenstandes auf 10.200,– DM festgesetzt.

In den Entscheidungsgründen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Kündigung des Beklagten aus dringenden betrieblichen Gründen erfolgt sei und demgemäß nicht gegen § 1 Abs. 1 KSchG verstoße. Der Beklagte habe auch bei der Kündigung vom 09.05.1997 die rechtlich zutreffende Frist von drei Monaten im Sinne von § 113 Abs. 1 S. 2 InsO angewendet. Diese Vorschrift führte nicht nur zu einer Verdrängung einzelvertraglicher Abmachungen, sondern ginge auch entgegenstehenden Tarifnormen vor. Sie sei als zweiseitig zwingendes Gesetz gestaltet worden und habe den Tarifvertragsparteien nicht gestattet, Abweichungen zugunsten der Arbeitnehmer zu vereinbaren. Die gesetzliche Vorschrift des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO verbiete damit die Heranziehung der Regelung des § 22 Nr. 2 MTV. Es könne dahinstehen, ob diese Tarifnorm über die verlängerten Kündigungsfristen für langjährig beschäftigte Arbeiter wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei. Für die älteren Angestellten in der Textilindustrie würden nämlich wesentlich längere Kündigungsfristen gelten, die sich aus der Tarifordnung für die kaufmännischen und technischen Angestellten in der Textilindustrie im Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein ergäben. Denn in jedem Falle sei § 113 Abs. 1 S. 2 InsO auch gegenüber Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG vorrangig. Das Bundesverfassungsgericht billigte nämlich gesetzliche Regelungen in dem Bereich, de...

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