Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Einigungsstelle über die Einführung von Nachtarbeitszuschlägen gem. § 6 Abs. 5 ArbZG. Begriff der tarifvertraglichen Ausgleichsregelung –

 

Leitsatz (amtlich)

Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt der BMTV-Güterfernverkehr, der für Nachtarbeit weder Vergütungszuschläge noch entsprechenden Freizeitausgleich vorsieht. Der Betriebsrat strebt eine Ausgleichsregelung gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG an und hat deshalb die Einigungsstelle angerufen. Die Arbeitgeberin will im vorliegenden Verfahren die Unzuständigkeit der Einigungsstelle festgestellt wissen.

Eine „tarifvertragliche Ausgleichsregelung” im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG kann auch dann vorliegen, wenn zwar keine Vergütungszuschläge bzw. kein Freizeitausgleich für geleistete Nachtarbeit vorgesehen ist, jedoch sich aus dem Tarifwerk ergibt, daß nach der erkennbaren Vorstellung der Tarifvertragsparteien durch die Gewährung anderer Leistungen und Vergünstigungen auch die durch typischerweise geleistete Nachtarbeit verursachte Belastung ausgeglichen werden soll.

 

Normenkette

ArbZG § 6 Abs. 5; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BMW-Güterfernverkehr

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Beschluss vom 29.10.1996; Aktenzeichen 2 BV 30/96)

 

Tenor

DerBeschluß des Arbeitsgerichts Wesel vom 29.10.1996 wird abgeändert:

Es wird festgestellt, daß die Einigungsstelle über eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG nicht zuständig ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin in einer mitbestimmten Regelung ihren Fernfahrern für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden Vergütungszuschläge oder bezahlten Freizeitausgleich zu gewähren hat. Die Arbeitgeberin reklamiert die Unzuständigkeit der errichteten Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) befaßt sich überwiegend mit dem Transport von Tiefkühlprodukten im Güterfernverkehr. Von ihrem Betrieb in Straelen/Ndrh. aus werden die mit einem Fahrer besetzten Lastkraftwagen bundesweit eingesetzt. Die Fahrten werden auch während der Nachtzeit durchgeführt.

Die Arbeitgeberin ist Mitglied im Verband des Güterfernverkehrsgewerbes Nordrhein. Aufgrund vertraglicher Einheitsregelung bringt sie den Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr vom 14.07.1988 (nachfolgend: BMTV) in Anwendung. Der BMTV befindet sich seit 1992 in der Nachwirkung.

Nachdem die Arbeitgeberin sich dem Verlangen des Betriebsrates (Beteiligter zu 2), gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG den Ausgleich der Nachtarbeit zu regeln, widersetzte, bestellte das Arbeitsgericht Wesel mit Beschluß vom 06.11.1995 auf Antrag des Betriebsrates den Vorsitzenden der Einigungsstelle. Die Beschwerde der Arbeitgeberin wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Beschluß vom 27.02.1996 zurück.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, daß die Einigungsstelle unzuständig sei. Der BMTV sehe zwar keinen speziellen Ausgleich für Nachtarbeit vor, deren Leistung berufstypisch für die Tätigkeit eines Fernfahrers sei. Indessen stellten Tarifregelungen wie die Gewährung zusätzlicher bezahlter Urlaubstage (§ 16), eines unbezahlten freien Tages (§ 10), die Vergütung der Arbeitsbereitschaft und der Kabinenzeit als Arbeitszeit (§ 14) einen Ausgleich für die von einem Fernfahrer erwartete Nachtarbeit dar. Im übrigen sei – so meint die Arbeitgeberin – die Einigungsstelle auch deshalb unzuständig, weil § 6 Abs. 5 ArbZG individualvertragliche Ansprüche begründe und mangels kollektiven Regelungstatbestandes kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bestehe.

Der Betriebsrat hält entgegen, daß der BMTV weder eine Regelung über Nachtarbeit enthalte noch hierfür einen Ausgleich vorsehe. Daher könne sich die Arbeitgeberin nicht unter Hinweis auf den Tarifvorbehalt des § 6 Abs. 5 ArbZG ihrer Verpflichtung zur Gewährung eines Nachtarbeitsausgleichs entziehen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 29.10.1996 die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Beschwerde greift die Arbeitgeberin den Beschluß, auf den hiermit zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in rechtlicher Hinsicht an. Sie beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Wesel vom 29.10.1996 festzustellen, daß die Einigungsstelle über eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG nicht zuständig ist.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß mit Rechtsausführungen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die angerufene Einigungsstelle ist nicht zuständig, eine Ausgleichsregelung für Nachtarbeit gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG einzuführen.

I.

Zwar sieht der BMTV für Nachtarbeit weder einen Anspruch auf Lohnzuschläge noch auf bezahlten Freizeitausgleich entsprechend der zur Nacht geleisteten Arbeitsstunden vor. „Nachtarbeit” wird im BMTV überhaupt nicht angesprochen. Indessen kommt in dem Regelungssystem des BMTV der Wille der Tarifvertragsparteie...

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