Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen „Mobbing”. Verschulden des „Täters” auch in Bezug auf die Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Behauptet eine Arbeitnehmerin, sie sei durch fortgesetzte Herabsetzungen und Schikanen ihres Arbeitgebers seelisch krank geworden, muss sie im Prozess um Schadensersatz und Schmerzensgeld die beanstandeten Verhaltensweisen so konkret darlegen und beweisen, dass in jedem Einzelfall beurteilt werden kann, ob diese Verhaltensweisen rechtswidrige und schuldhafte Überschreitungen des Direktionsrechts gewesen sind und ob der Handelnde damit zu rechnen hatte, dass sein Verhalten eine Erkrankung bei der Arbeitnehmerin verursachen könnte.

Es genügt nicht, die beanstandeten Verhaltensweisen unter eine der inzwischen gebräuchlichen Definitionen von „Mobbing” zu subsumieren; „Mobbing” ist für sich genommen kein juristisch verwertbarer Begriff.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 286, 325, 326 analog, § 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1, § 249

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 14.08.2003; Aktenzeichen 65 Ca 24573/02)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. 8. 2003 – 65 Ca 24573/02 – wird – soweit es nicht durch die teilweise Klagerücknahme (Klageanträge zu 3) u. 4) gegenstandslos geworden ist – zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt (auch soweit sie die Klage zurückgenommen hat).

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen „Mobbing”. Die Klägerin leitet ihre Ansprüche daraus her, dass der Beklagte zu 2) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) sie, die Klägerin, über Monate hinweg schikaniert und gedemütigt habe, wodurch sie an Depression erkrankt sei. Mit dem Klageantrag zu 1) verlangt sie die Differenz zwischen ihrem durchschnittlichen Nettogehalt und den tatsächlichen Bezügen an Krankengeld und Arbeitslosengeld ab Beginn der letzten durchgehenden Krankheitsperiode bis zum Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis (22.3.1999 bis 30.9.2000 – rechnerisch unstreitig 32.887,69 DM = 16.815,21 EUR). Mit dem Klageantrag zu 2) verlangt sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,– DM = 25.564,59 EUR.

Die 1953 geborene Klägerin ist ausgebildete OP-Schwester und war langjährig an einem Ostberliner Krankenhaus beschäftigt; dort war sie zuletzt mehrere Jahre freigestellte Personalrätin bzw. Betriebsrätin. Die Beklagte ist als Tochter des Deutschen P. Wohlfahrtsverbandes 1995 zu dem Zweck gegründet worden, die (personell überbesetzten und defizitären) Einrichtungen der ärztlichen poliklinischen Versorgung vom Land Berlin zu übernehmen und ab 1. Januar 1996 in privater Rechtsform fortzuführen; sie hat die Klägerin mit Wirkung ab 1. April 1996 als (1.) Personalleiterin eingestellt und von ihr insbesondere erwartet, dass sie erhebliche Personalkostenreduzierungen herbeiführt bzw. daran mitwirkt, was deshalb besondere Schwierigkeiten bereitete, weil das nach § 613a BGB übernommene (ärztliche und nichtärztliche) Personal BAT-Verträge hatte und aufgrund einer Vereinbarung mit dem Land Berlin nicht betriebsbedingt gekündigt werden durfte.

Im Jahre 1997 fehlte die Klägerin krankheitsbedingt an insgesamt 42 Arbeitstagen. Vom 7. Dezember 1998 bis 15. Januar 1999 fehlte sie wegen eines „depressiven Syndroms”. Am 2. Februar 1999 unterzeichnete sie (nachdem die Beklagte zwischenzeitlich einen Verwaltungsleiter und einen ärztlichen Koordinator eingestellt hatte) rückwirkend zum 1. Dezember 1998 einen Änderungsvertrag (Bl. 115 d.A.), nach dem ihr Tätigkeitsfeld nunmehr „das Projektmanagement im Immobilienbereich” sein sollte sowie „die Sachbearbeitung der Akquisition von Personal im ärztlichen Bereich”.

Ab 22. März 1999 blieb die Klägerin ununterbrochen krankheitsbedingt der Arbeit fern; in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 1. Juni 1999 (Bl. 18 ff. d.A.) ist als Hauptdiagnose angegeben: „Anhaltende reaktive Depression bei beruflicher Konfliktsituation (Mobbing)”. Unter dem 12. November 1999 kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis (unter anderem wegen behaupteter Verstöße gegen Melde- und Nachweispflichten) fristlos, hilfsweise fristgemäß. In dem darüber geführten Kündigungsschutzprozess verglichen sich die Parteien am 13. April 2000 auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2000 aus betriebsbedingten Gründen und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 21.000,– DM (etwas mehr als drei Monatsgehälter).

Mit der hiesigen, am 9. September 2002 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Klage hat die Klägerin zuletzt verlangt,

  1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 32.887,69 DM (16.815,21 EUR) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2. die Beklagte zu 2) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, der konkreten Höhe nach vom erkennenden Gericht zu bestimmendes Schmerzensgeld von wenigstens 50.000,– DM (25.564,59 EUR) nebst 5 % Zinsen über dem Basisz...

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