Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht des Arbeitgebers zur Anordnung des Tragens einer Gesundheitsmaske. Beweislast des Arbeitnehmers für Unzumutbarkeit des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes. Kein Anscheinsbeweis für Unzumutbarkeit des Tragens einer Maske durch ärztliches Attest. Kein Vergütungsanspruch bei Weigerung zum Maskentragen am Arbeitsplatz. Weisungsrecht des Arbeitgebers in Pandemiezeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO beinhaltet auch die Anordnung in bestimmten Situationen zum Gesundheitsschutz Masken zu tragen.

2. Im Vergütungsprozess ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass es ihm aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar ist, eine Maske zu tragen. Ein ärztliches Attest erbringt keinen Anscheinsbeweis.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB §§ 294, 615, 611a Abs. 2; ZPO § 97

 

Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 02.12.2021; Aktenzeichen 1 Ca 347/21)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 02. Dezember 2021 - 1 Ca 347/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Vergütung für Zeiten, in denen die Beklagte ihn nicht beschäftigte, weil er ihrer Anweisung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht nachgekommen ist.

Der Kläger ist seit dem 1. März 2018 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages nebst Änderungsvereinbarungen bei der Beklagten, einem Unternehmen, das im Schichtbetrieb Kakaobutter herstellt, als Anlagenfahrer/Schichtleiter Produktion beschäftigt. In dieser Funktion fungiert er als Vorgesetzter, erteilt Mitarbeitern Anweisungen und betreut externe Dienstleister. Ein Betriebsrat besteht nicht.

Im Oktober 2020 führte die Beklagte wegen der Corona-Pandemie für ihren Betrieb eine Maskenpflicht ein. Darüber informierte sie die Mitarbeiter per E-Mail vom 5. Oktober 2020 (Bl. 84 d.A.). Danach sollten die Mitarbeiter ab dem 7. Oktober 2020 innerhalb des Firmengebäudes in allen öffentlichen Bereichen (Haupteingang, Hygieneschleusen, in den Gängen, im Treppenhaus, beim Betreten der Kantine, etc.), beim Verlassen des jeweiligen Arbeitsbereichs und überall dort, wo der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden konnte, einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zur Umsetzung dieser Maskenpflicht erhielt der Kläger am 6. Oktober 2020 einen Karton mit Mund-Nasen-Bedeckungen, die er während seiner Schicht im Bedarfsfall an Mitarbeiter und externe Arbeitnehmer übergeben sollte. Diesen Karton warf der Kläger mit den Worten "Scheiß Masken" in einen Mülleimer und entleerte diesen später im Restmüllcontainer.

Am 7. Oktober 2020 übergab der Kläger der Beklagten ein ärztliches Attest (Bl. 86 d.A.), wonach ihm "aus medizinischer Sicht" dringend vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung abgeraten wurde. Mit weiterem Attest vom 8. Oktober 2020 (Bl. 88 d.A.) bescheinigte ihm dieselbe Ärztin, dass es ihm "aus hausärztlicher Sicht und medizinischen Gründen unzumutbar" sei, eine Mund- und Nasenbedeckung zu tragen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Oktober 2020 (Bl. 90 und 91 d.A.) ließ der Kläger mitteilen, er sei zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht verpflichtet, die arbeitgeberseitige Weisung überschreite das Direktionsrecht der Beklagten.

Da die Parteien eine Einigung über das Tragen einer Maske nicht erzielen konnte, der Kläger auch die angebotene Möglichkeit des Tragens eines Gesichtsvisiers ablehnte, setzte die Beklagte ihn in der Folgezeit nicht mehr ein, und zahlte ihm auch kein Arbeitsentgelt. Stattdessen erhielt der Kläger in den hier streitgegenständlichen Monaten November 2020 bis April 2021 Arbeitslosengeld und zwar in Höhe von 42,28 Euro kalendertäglich bis zum 31. Dezember 2020 und in Höhe von 42,80 Euro kalendertäglich ab dem 1. Januar 2021. Für den im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Arbeitslosengeldbescheid im Einzelnen wird auf Bl. 173 - 174 d.A. Bezug genommen.

Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Neuruppin am 21. Mai 2021 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung der Vergütung für die Monate November 2020 bis April 2021 in Höhe von monatlich 3.459,06 Euro brutto, von denen er sich 1.240,00 Euro netto als Arbeitslosengeld in Abzug bringen lässt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 2. Dezember 2021, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nicht in Annahmeverzug geraten, da sie nicht verpflichtet gewesen sei, den Kläger ohne Mund-Nasen-Bedeckung zu beschäftigen. Die Anordnung der Beklagten, ab Oktober 2020 einen Mund-Nasenschutz zu tragen, sei vom Direktionsrecht gedeckt. Diese Anordnung erweise sich auch als verhältnismäßig, weil die Maskenpflicht auf eng umschriebene Bereiche begrenzt gewesen sei, in denen der Mindestabstand von 1,5 - 2 m nicht habe gewahrt werden können. Damit erfordere diese Anor...

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