Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutzklage bei Beendigungskündigung nach Ablehnung einer Änderungskündigung. Auslegung eines Klageantrags nach abgelehnter Änderungskündigung. Homeoffice kein milderes Mittel bei Änderungskündigung. Zweckmäßigkeit der unternehmerischen Entscheidung nicht gerichtlich überprüfbar

 

Leitsatz (amtlich)

I. Lehnt der Arbeitnehmer bei einer Änderungskündigung das Änderungsangebot vorbehaltlos ab, liegt eine Beendigungskündigung vor, gegen die nur Kündigungsschutzklage mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag, erhoben werden kann.

II. Ein gegen eine Beendigungskündigung gerichteter - nicht sachgerechter - Antrag, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung nicht wirksam ist, kann grundsätzlich sachgerecht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Kündigungsschutzklage mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag erhoben werden sollte.

III. Eine entsprechende Auslegung ist aber dann in der Regel nicht möglich, wenn der Kündigungsschutzantrag iSd. § 4 Satz 1 KSchG ausdrücklich gestellt wurde und durch das Arbeitsgericht ausdrücklich abgewiesen wurde und der Kläger die Abweisung hat rechtskräftig werden lassen. In diesem Fall würde die Auslegung de facto die aus der formellen Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils folgende materielle Rechtskraft beseitigen.

IV. Das Angebot eines Homeoffice Arbeitsplatzes kann zumindest dann keine mildere Maßnahme im Rahmen einer Änderungskündigung sein, wenn es Teil der unternehmerischen Entscheidung ist, bestimmte Arbeitsplätze in der Zentrale des Arbeitgebers zu konzentrieren und für diese Arbeitsplätze kein Homeoffice Arbeitsplatz anzubieten.

 

Normenkette

KSchG § 1; ZPO § 322; KSchG § 2; GewO § 106 S. 1; ZPO § 91 Abs. 1; KSchG § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.08.2020; Aktenzeichen 19 Ca 13189/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.08.2020 - 19 Ca 13189/19 -teilweise abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen als Änderungskündigung ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 10.10.2019. Die Klägerin hat das Änderungsangebot auch nicht unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderungsbedingungen angenommen.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.11.1992 in der Berliner Niederlassung als Vertriebsassistentin beschäftigt. Die Beklagte ist eine auf die herstellerunabhängige Absatz- und Investitionsfinanzierung von mobilen Wirtschaftsgütern spezialisierte Bank mit Sitz in Wuppertal.

Bei der Beklagten existiert eine Versorgungsordnung zur Regelung von Ruhegeldansprüchen, hinsichtlich deren genauen Wortlauts auf 85 - 89 d. A. verwiesen wird.

In Ziffer 2 Abs. 2 heißt der Versorgungsordnung es auszugsweise:

"Scheidet der Mitarbeiter vor dem Einsetzen der Ruhegeld-Leistungen aus der Bank aus, so entfällt der Ruhegeldanspruch. (...) Kündigt die Bank aus Gründen, die der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat, so bleibt sein Ruhegeld-Anspruch mit der Maßgabe bestehen, daß die Ruhegeld-Leistungen (...) sich nach Dienstzeit und Gehalt bei seinem Ausscheiden bestimmen und zu dem Zeitpunkt (...) einsetzen, zu welchem sie eingesetzt hätten, wenn die Kündigung nicht erfolgt wäre."

In Ziffer 4 Abs. 8 heißt es:

"In den ersten 6 Monaten nach der Pensionierung (Ziffer 3) enthält der Mitarbeiter zusätzlich ein Übergangsgeld in Höhe der Differenz zwischen dem Ruhegeld und den vollen Bezügen, die er unmittelbar vor seiner Pensionierung hatte."

Aus den Berechnungen, die die Klägerin aus Anlass der Änderungskündigung zum 31.12.2019 von der Beklagten am 09.07.2019 erhielt (Bl. 76 d. A.), war die Zahlung eines Ruhegeldes ausgewiesen, jedoch nicht die Zahlung eines Übergangsgeldes.

Bei der Beklagten existiert eine Teleoffice-Richtlinie (Bd. I, Bl. 100 d. A.). In deren Präambel heißt es auszugsweise:

"Teleoffice-Arbeitsplätze der G bieten die Alternative zum Arbeitsplatz in der Zentrale oder einer Niederlassung der G."

Die Kundenbetreuung wird durch Außendienstmitarbeiter wahrgenommen, die teilweise im Homeoffice tätig sind. In der Berliner Niederlassung der Beklagten waren sechs Außenmitarbeiter beschäftigt, wovon zwei Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz in der Niederlassung der Beklagten hatten. Daneben waren Mitarbeiter im Verwaltungs- und Schreibdienst, Vertriebsassistenten, Teamleiter und Niederlassungsleiter in der Berliner Niederlassung tätig. Die Klägerin arbeitete als Verwaltungsassistentin stets von der Niederlassung in Berlin aus.

Die Beklagte vereinbarte mit dem Betriebsrat der Niederlassung Nordost am 31.01.2019/06.02.2019 einen Interessenausgleich. Dieser enthielt auszugsweise folgende Regelungen:

"Betriebsänderung

Die G wird den Betrieb der Niederlassung Nordost (..straße 194-199, D-10117 Berlin) zum 31.12.2019 vollständig stilllegen...

Maßnahmen zur Umsetzung

Die Position der Vertriebsassistenten einschließ...

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