Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsstellung eines schwerbehinderten Bewerbers um mehrere intern ausgeschriebene Stellen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 82 Satz 2 SGB IX aF (jetzt § 165 Satz 3 SGB IX) sind schwerbehinderte Beschäftigte, die sich intern auf eine ausgeschriebene Stelle beworben haben, auch dann zu einem Auswahlgespräch einzuladen, wenn die Stelle berechtigter Weise nur intern ausgeschrieben worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Auswahlgespräche stattfinden.

2. Haben sich schwerbehinderte Beschäftigte auf mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil beworben, ist eine Einladung zu einem Auswahlgespräch für jede der Stellen nur entbehrlich, wenn die Auswahl aufgrund eines identischen Auswahlverfahrens erfolgt, die Auswahlkommissionen personenidentisch sind und zwischen den Auswahlentscheidungen nur wenige Wochen liegen (im Anschluss an ArbG Karlsruhe vom 26.01.2016 - 2 Ca 425/15 -)

3. Im Übrigen kann eine ungerechtfertige Bevorzugung schwerbehinderter Mehrfachbewerberinnen und -bewerber durch eine Zusammenlegung der Auswahlgespräche in Anwesenheit aller Auswahlkommissionen oder durch unterschiedliche Fragen und Aufgabenstellungen in den jeweiligen Auswahlverfahren vermieden werden.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2; SGB IX § 164 Abs. 1 S. 1; SGB IX a.F. § 81 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 165 S. 2; SGB IX a.F. § 82 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.11.2017; Aktenzeichen 16 Ca 10367/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.06.2020; Aktenzeichen 8 AZR 75/19)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. November 2017 - 16 Ca 10367/16 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 5.200,00 Euro zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 80,33 % und die Beklagte zu 19,67 % zu tragen.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Beförderung wegen Benachteiligung bei der Stellenbesetzung, hilfsweise auf Nachzeichnung der üblichen beruflichen Entwicklung als freigestellter Gremienvertreter sowie auf Schadensersatz und Entschädigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Der am ....1958 geborene und seit dem 21. Juni 2013 als schwerbehinderter Mensch anerkannte Kläger absolvierte von 1980 bis 1984 ein Studium der Fachrichtung Arbeitsökonomie mit dem Abschluss Diplom-Ökonom in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Von 1984 bis 1987 war er beim Rat des Stadtbezirkes Berlin-P. und anschließend beim Reisebüro J. T. tätig. Seit dem 14. Mai 1991 ist der Kläger bei der Beklagten beschäftigt und wird aktuell nach der Tätigkeitsebene (TE) III, Entwicklungsstufe (ES) 6 des Tarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) vergütet.

Der Kläger war bzw. ist Mitglied des Personalrats der Agentur für A. Berlin N. und seit dem 25. November 2008 außerdem Vertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten der Agentur für A. Berlin N.. Ferner war er zeitweilig Mitglied des Bezirkspersonalrats und Vertreter der Bezirksschwerbehindertenvertretung auf der Ebene der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg. Vom 1. September 1992 bis zum 30. September 1993 war er vollständig, vom 29. Dezember 1998 bis zum 15. August 1999 zu fünfzig Prozent und ab dem 16. August 1999 erneut vollständig, zunächst wegen seiner Personalratstätigkeit und ab dem 1. Mai 2013 wegen seiner Tätigkeit Schwerbehindertenvertreter, von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Nachdem der Kläger zuletzt am 19. November 2014 zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Beschäftigten der Agentur für A. Berlin N. gewählt worden war, wurde er erneut zunächst befristet bis zum 31. März 2016 und in der Folge bis zum Ende der Amtszeit als Schwerbehindertenvertretung vollständig von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Mit Schreiben vom 17. August 2016 hob die Beklagte die Freistellung des Klägers rückwirkend zum 5. Juni 2016 auf. Ein daraufhin vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängig gemachter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte keinen Erfolg. Im Hauptverfahren verständigten sich die Parteien im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht auf die Fortsetzung der vollständigen Freistellung bis zum Ablauf der aktuellen Amtszeit.

Bis zu seiner erneuten vollumfänglichen Freistellung ab dem 16. August 1999 war der Kläger als Arbeitsvermittler tätig und als solcher zunächst in der Vergütungsgruppe Vb und zuletzt in der Vergütungsgruppe IVb des damals für die Beklagte geltenden Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts - Manteltarifliche Vorschriften - (MTA-O) eingruppiert. Die Eingruppierung entspricht der Tätigkeitsebene IV des für die Beklagte seit dem 1. Januar 2006 geltenden TV-BA.

Zum 1. Februar 2004 erhielt der Kläger, nachdem er an einer Qualifizierun...

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